Frauen al dente. (German Edition)
auffällige Erscheinung war wirklich nicht zu übersehen. 1,75 m barocke Fülle, hervorragend proportioniert, steckten in einem schwarzen Popelineoverall, der zum Glück genügend Raum für ihre ausladende Oberweite bot. Ihre streichholzkurzen, karottenrot gefärbten Haare und die grau-grün gesprenkelten Katzenaugen signalisierten Unabhängigkeit und Mut zur Extravaganz. Für Marlens Geschmack neigte sie einen Touch zuviel zur Selbstinszenierung. Nicht unbedingt die passende Aufmachung für eine solide Karriere im Verkehrsministerium. Doch letztendlich war dies nicht ihr Problem. Sie jedenfalls mochte Barbaras direkte Art, ihre Spontaneität und ihre Herzlichkeit. Wenn sie nicht wäre, wer weiß, ob sie das Leben mit Hella allein lange ausgehalten hätte.
»Huhu, Barbara! Hierher!« Marlen winkte ihr erfreut zu.
Barbara stutzte, als sie sie erkannte. Sie wandte sich an einen der Männer und wechselte ein paar Worte mit ihm. Dann kam sie mit weichen, wiegenden Schritten an ihren Tisch.
»Nanu, mit dir habe ich hier überhaupt nicht gerechnet«, begrüßte sie Marlen erstaunt. Sie machte nicht die geringsten Anstalten, sich zu setzen, sondern blieb abwartend stehen.
»Hast du meinen Zettel nicht gelesen? Es gibt was zu feiern, ich wollte dich und Hella zum Essen einladen«, reagierte Marlen enttäuscht.
Barbara beugte sich zu ihr hinunter. Eine Duftwolke Poison senkte sich dabei auf Marlen herab. Die Freundin war auf Männerpirsch.
»Ach je, aber ich war heute noch nicht zu Hause. Den ganzen Tag habe ich mich durch so einen schrecklichen Pressetermin gequält. Und jetzt müssen wir das Ganze noch einmal im wahrsten Sinne des Wortes durchkauen, du weißt schon. Der Staatssekretär ist auch dabei, sieh nicht rüber. Der kleine Dicke mit der Glatze.«
Marlen warf einen verstohlenen Blick über Barbaras Schulter. Der einzige kleine Dicke in der Gruppe, den sie ausmachen konnte, warf soeben begehrliche Blicke auf das wohlgerundete Hinterteil ihrer Freundin. Als er Marlens Blick begegnete, wandte er sich abrupt seinem Gesprächspartner zur Rechten zu.
»Dein Staatssekretär wartet schon auf dich«, raunte Marlen. Klar, daß für Barbara in einer solchen Situation ein Staatssekretär Vorrang haben mußte. Karrierefrau wußte, was sich gehörte.
»Wir feiern nachher zu Hause miteinander, alles klar?« Marlen nickte bloß. Barbara wurde bereits mit ›Hallo‹ von der Männerrunde wieder aufgenommen.
Gleich halb neun. Von Hella noch immer keine Spur. Marlen beschloß, ihrem knurrenden Magen einen Gefallen zu tun, und einfach zu bestellen. Sie entschied sich für ›Pasta frutti di mare‹, mit einem Hauch von Knoblauch und winkte nach Giovanni.
»Ist dieser Platz noch frei?« Nicht schon wieder! Ungnädig musterte sie den Mann. Der Typ sah nicht übel aus, schlank, braungebrannt, mit modisch pomadisierter Yuppifrisur. Dazu ausgesprochen modisch gekleidet in dunkelgrauem Einreiher, blütenweißem Hemd, schwarzen Edelslippern an den Füßen. Marlen schätzte ihn auf Anfang dreißig, also jünger als sie. Er besaß eine gewisse Ähnlichkeit mit diesem Schnösel-Beau von heute Nachmittag, doch seine Manieren waren entschieden besser, jedenfalls blieb er am Tisch stehen, bis sie ihm gnädig erlaubte, Platz zu nehmen. Ein Mann für eine Nacht? Lag durchaus im Bereich der Möglichkeiten.
»Pasta frutti di mare, aber ohne Knoblauch«, bestellte Marlen mit strahlendem Lächeln. Giovannis Augenbrauen schössen erstaunt in die Höhe. Ohne Knoblauch? Doch dann glitt sein erfahrener Blick hinüber zu dem Neuankömmling.
»Darf ich das dritte Gedeck abräumen?« erkundigte er sich wissend.
»Ich fürchte, meine Freundin hat mich versetzt«, bestätigte Marlen.
»Bringen Sie mir bitte das Gleiche wie für die Dame«, bestellte der Mann. »Ich bin sicher, daß wir viel gemeinsam haben.«
Zwei Karaffen Hauswein und eine Pasta frutti di mare später schwebte Marlen zum zweiten Mal an diesem Tag auf Wolke sieben. Jens Ebert hieß der Knabe, dessen Charme vermutlich selbst die eiserne Jungfrau überwältigen würde. Und sie dachte nicht im Traum daran, heute Nacht ihren Keuschheitsgürtel anzulegen. Wenn es schon nicht mit dem edelgrauen Hosenanzug und auch nicht mit dem gemeinsamen Freundinnen-Essen geklappt hatte, dann würde sie sich eben diesen Jens als Belohnung gönnen. Knackiges, appetitlich gebräuntes Frischfleisch in ihrem Bett, verlockender als das köstlichste Tiramisu zum Dessert. Eigentlich blieb nur noch die Frage
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