Frauen, die Geschichte machten
Bereits am nächsten Tag wurde die |92| zweite Ehe eingesegnet, der Sohn Meinhard war nun auch kein Bastard mehr und seine im Jahr zuvor geschlossene Ehe rechtsgültig.
Im Land Tirol öffneten sich nun endlich die Kirchentüren, die 17 Jahre lang verschlossen gewesen waren.
An den jungen Meinhard traten schon bald Herrscherpflichten heran. Sein Vater Ludwig starb überraschend am 18. September 1361
auf einer Reise von Tirol nach München. Der Nachfolger zeigte sich den Anforderungen wenig gewachsen. Als ein unbedarfter,
unselbstständiger, kränklicher Jüngling war er in München von einem Kreis bayerischer Adliger umgeben, die sich wahrscheinlich
Pfründe und Einfluss in Tirol erhofften und einstweilen dafür sorgten, dass er die Einkünfte seiner Besitzungen mit vollen
Händen für Turniere und andere Geselligkeiten ausgab. An eine Heimkehr nach Tirol dachte er vorerst überhaupt nicht. Seine
Mutter Margarete wurde deshalb bei Kaiser Karl IV., ihrem Ex-Schwager, in Nürnberg vorstellig. Dessen Kanzler Johannes von
Neumarkt spottete, das sei ja ein Fastnachtabenteuer: »Kriemhild fahre zu Hofe!« In der Anspielung des gelehrten Mannes auf
die Heldin des Nibelungenliedes, die zur Anstifterin allergrößten Unheils wird, verrät sich einmal mehr, wie bereits zu Lebezeiten
Margaretes ihr Mythos als Unheilbringende umging. Der unerwartete Tod ihres zweiten Mannes war ihr natürlich auch auf die
Rechnung gesetzt worden.
Im Oktober 1362 trat Meinhard schließlich auf Drängen des Tiroler Adels die Heimreise an. Aber viel Zeit, den Landesherrn
zu spielen, blieb ihm nicht. Er starb, nicht einmal 20 Jahre alt, in Meran am 13. Januar 1363. Im Mannesstamm war das Haus
der Grafen von Tirol damit erloschen. Dass alsbald Gerüchte umgingen, die Mutter habe den Sohn mit Gift beseitigt, liegt nahe.
Margarete amtierte nun wie schon mehrmals zuvor als Regentin, diesmal jedoch ohne die Energie, die sie zuvor gezeigt hatte.
Die Todesfälle in ihrer Familie mochten sie zermürbt haben. Widerstandslos ließ sie sich vom Tiroler Adel die schmählichsten
Zugeständnisse abringen. In wenigen Tagen schenkte sie bedeutende Teile ihres Landes weg, und die Verschreibung, die sie am
17. Januar machte, des Inhalts, dass sie ohne Genehmigung der Adligen weder Ämter verleihen noch Verhandlungen führen und
Verträge schließen dürfe, kann als ihre Abdankungserklärung verstanden werden.
Doch noch einmal erhob sich Margarete zu einer Tat, einer gänzlich unerwarteten, mit der sie die raffgierigen Barone ihres
Landes buchstäblich im letzten Moment daran hinderte, sich vollständig zu dessen Herren zu machen. Sie übergab Tirol dem Habsburger
Rudolf IV. Die österreichische Dynastie hatte ja schon in Margaretes Jugendzeit ihre Ansprüche auf Tirol angemeldet, nun hielt
ihr gegenwärtiges Haupt die Zeit für gekommen, die Ernte einzufahren. In einem Gespräch in Bozen am 26. Januar klärten Rudolf
IV. und Margarete ihre Sache. Damit die Übergabe juristisch ihre Richtigkeit hatte, verfasste Rudolfs |93| Kanzlei eine Urkunde, die auf September 1359 datiert wurde: Bereits schon damals habe Margarete ihr Land dem Habsburger vermacht.
Die Verschreibung der Gräfin gegenüber dem Tiroler Adel war dadurch gegenstandslos. Nach dem Verständnis des Mittelalters
galt das Alte dem Neuen stets überlegen. Wer eine alte Urkunde vorzeigen konnte, war grundsätzlich im Recht gegenüber dem,
dessen Dokumente ein jüngeres Datum aufwiesen. Möglichkeiten, eine Fälschung zu entlarven, gab es kaum. Zudem waren die Österreicher
in dem Gewerbe auch Virtuosen. Rudolfs Kanzlei hatte gerade in den Jahren zuvor mehrere Urkunden gefälscht, mit denen zurück
bis zu Julius Cäsar die Sonderstellung des Habsburger Geschlechtes »bewiesen« wurde, u. a. das berühmte
Privilegium maius
, jahrhundertelang als »Hausgesetz« die unbezweifelte Grundlage für die Herrschaft Rudolfs und seiner Nachkommen.
Als eine Art Bevollmächtigte der Österreicher führte Margarete die Regierung noch einige Monate fort. Da aber die Wittelsbacher
sich mit dem Machtzuwachs ihrer habsburgischen Konkurrenten nicht abfinden wollten und Krieg drohte, nahm ihr Rudolf IV. im
September 1363 ganz das Heft aus der Hand, und Margarete willigte ein. Die Urkunde, in der sie ihre Untertanen vom Treueid
entbindet, spricht resignierend von der
chranchait frewlichen geslechtes
, die sie daran hindere, das Land gegen die Feinde von außen wirksam zu
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