Frauen, die Geschichte machten
zusammen die Erziehung durch Anne de Beaujeu genossen, und nichts
verbindet so wie gemeinsame Lehrjahre. Außerdem bestand eine verwandtschaftliche Brücke durch Margaretes Verheiratung nach
Savoyen, sodass sich nun leicht Verbindung zur früheren Freundin knüpfen ließ. Louise hatte in eine Seitenlinie des französischen
Königshauses eingeheiratet und ihr Sohn Franz hatte den französischen Thron geerbt. Über die Mutter, so Margaretes Kalkül,
musste sich doch Einfluss auf den König nehmen lassen, zumal Louise ebenfalls bereits Signale der Verständigung ausgesandt
hatte. Der »Damenfrieden« nahm Kontur an.
Die Frauen verabredeten ein Treffen in Cambrai, unmittelbar an der Grenze zum französischen Machtgebiet im habsburgischen
Hennegau gelegen. Drei Wochen lang flanierte, plauderte und amüsierte man sich. Die Verhandlungen wurden scheinbar beiläufig
betrieben, in Wirklichkeit aber mit allerhand Raffinesse. Schließlich gelang am 3. August 1529 ein Ausgleich (unterzeichnet
zwei Tage später), den auch die eigentlichen Kontrahenten, Franz I. und Karl V., mittragen |115| konnten. Margarete hatte den Niederlanden eine wichtige Atempause verschafft – und ihrem Neffen eine persönliche Genugtuung.
Karl nämlich hatte es immer als besonders demütigend empfunden, dass sein Gegner Franz I. eine Zusage nie korrekt eingehalten
hatte: das Versprechen der Eheschließung mit Karls verwitweter Schwester Eleonore. Zwar hatte formal eine Trauung stattgefunden,
doch verweigerte der französische Gatte der Habsburgerin die Rechte einer Königin und Ehefrau. Erst Louise und Margarete setzten
diese in Cambrai für Eleonore durch, für damalige Zeiten fast wichtiger als alle anderen Friedensbedingungen. Vor allem der
Kaiser sah in der familiären Verbindung eine Garantie für französisches Wohlverhalten, wie denn die Dynastie für ihn immer
schwerer wog als territoriale Macht. Jedenfalls wird er zustimmend und tief trauernd den Brief gelesen haben, den er ein gutes
Jahr später aus Holland von seiner Tante bekam:
»Die Stunde ist gekommen, da ich Euch nicht mehr mit eigener Hand schreiben kann … Ich habe nichts zu bedauern, außer dass
Ihr nicht hier seid und ich Euch vor meinem Tod nicht noch einmal sehen und sprechen kann … Ich hinterlasse Euch Eure Länder,
die ich während Eurer Abwesenheit nicht nur so bewahrt, wie Ihr sie verlassen habt, sondern bedeutend vermehrt habe; ich lege
deren Regierung in Eure Hände zurück, für die ich mich, so glaube ich, loyal eingesetzt habe und dafür Gottes Lohn erwarte
… Ich lege Euch vor allem den Frieden ans Herz … Mecheln, am letzten Tag des November, 1530. Eure sehr ergebene Tante Margarete.«
Am Tag darauf endete das Leben einer Frau, die ihre Energie im Dienst ihres Landes und ihrer Familie verbraucht hatte. Und
so sehr sie mit mancher Eigenmächtigkeit einflussreiche Personen irritiert oder gar verärgert hatte – alle waren sich des
Verlustes bewusst. Margarete hatte der herrschenden Gesellschaft gezeigt, dass Waffen nicht immer aus Stahl sein müssen. Mit
geschicktem Verhandeln hatte sie oft, vor allem zuletzt mehr erreicht als mit militärischen Mitteln. Wie schnell ein wirtschaftlich
intaktes Land binnen Kürze ruiniert werden kann, zeigte sich schon zwei Generationen später, als es ebenfalls einer Margarete
nicht mehr gelang, die Niederlande vor feindlichen Angriffen zu schützen. Margarete von Parma, uneheliche Tochter Karls V.,
konnte sich als Statthalterin gegen ihren Halbbruder und spanischen König Philipp II. (er regierte 1556–1598) nicht durchsetzen
und musste mit ansehen, wie dessen brutales Regiment ihre Politik des Ausgleichs zunichte machte.
Mit Wehmut werden sich die niederländischen Untertanen, drangsaliert von Philipps grimmigem Feldherrn, dem Herzog Alba, an
seine Großtante erinnert und sich ihre Unbeugsamkeit auch dem Kaiser gegenüber zurückgewünscht haben.
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Katharina de’ Medici
Die ewige Unterhändlerin
|118| Krieg im Namen der Religion, und das dreißig und mehr Jahre lang: Nicht nur Deutschland wurde 1618 bis 1648 davon heimgesucht,
auch Frankreich traf ein ähnliches Schicksal. Ein halbes Jahrhundert früher, 1562 bis 1598, lieferten sich hier Katholiken
und Protestanten, in Frankreich die Hugenotten, einen hasserfüllten, mörderischen Bruderkrieg, immer wieder unterbrochen von
Ruhepausen, Waffenstillständen oder Friedensschlüssen, die aber niemals
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