Frauen, die Geschichte machten
lange hielten. Aus den gleichen Gründen wie der Dreißigjährige
Krieg in Deutschland konnten auch die Hugenottenkriege in Frankreich lange Zeit kein Ende finden, weil keine Partei stark
genug war, um die andere vollständig zu besiegen, weil andere Mächte beständig eingriffen – Spanien stand auf Seite der katholischen
Partei, England und das Kurfürstentum Pfalz unterstützten die Protestanten – und weil sich die religiösen Auseinandersetzungen
mit den großen politischen und gesellschaftlichen Problemen der Zeit vermischten. Anders jedoch als in Deutschland 1648 beendete
kein groß angelegter Kongress mit hunderten von Gesandten das erbitterte Ringen, sondern ein französischer König entzog mit
einem außergewöhnlichen Schachzug dem Hader die Grundlage. Heinrich IV. aus dem Haus Bourbon, Anführer der protestantischen
Partei, befand, dass Paris eine Messe wert sei, und trat zum katholischen Glauben über. Als solcher konnte er 1598 das Edikt
von Nantes erlassen, das den Hugenotten die Ausübung ihrer Religion und die bürgerliche Gleichberechtigung gewährte und somit
den Kämpfen ein vorläufiges Ende setzte.
Der Religionskrieg in Frankreich gipfelte im Massaker der Bartholomäusnacht 1572, dem in Paris mindestens 2000 Hugenotten
zum Opfer fielen und in der Provinz das Fünf- oder gar Zehnfache dieser Zahl. Das Volk machte eine Frau für den Massenmord
verantwortlich: die Königinmutter Katharina de’ Medici. Da sich die Zeit ihres politischen Wirkens zum großen Teil mit der
Epoche des Hugenottenkrieges deckte, wurde ihr auch die Schuld für andere Übel und Katastrophen zugeschoben.
Historiker und Romanautor haben fleißig weitergemalt an dem Bild von der abgrundbösen Frau, die in ihre schwarzen Kleider
gehüllt in den Gemächern des Louvre hockt und Unheil brütet. Als einen solchen weiblichen Nachtmahr, der den Männern im Nacken
sitzt und sie zu Verbrechen anstiftet und dann als »Gefassteste von allen« dem Morden zusieht, porträtiert sie Conrad Ferdinand
Meyer in der Novelle »Das Amulett« (1873), und so geistert sie auch durch die |119| einschlägigen Historienfilme, zuletzt in Patrice Chéreaus »Die Bartholomäusnacht« (»La Reine Margot«, 1994).
Irene Mahoney, die 1975 eine einfühlsame Biografie vorlegte (deutsche Ausgabe 1994) sieht dagegen Katharina de’ Medici als
tragische Figur: typische Renaissancefürstin, zum Herrschen geboren, geleitet von Träumen, die einer Kaiserin würdig wären,
aber gleichzeitig Krämerin, Schacherin und Intrigantin. Ohne Möglichkeit, selbst einen Thron zu besteigen und direkt Macht
auszuüben, muss sie das Regieren ihren Kindern überlassen, die sie später allerdings nicht zum Zug kommen lässt. Katharina
de’ Medici ließ ihre Kinder nicht gewähren, wobei ihr allerdings zugute zu halten ist, dass ihr die Sprösslinge nur zu gern
die Arbeit überließen, wenn sie nicht weiterwussten, und dass, bei allen Irrtümern, die Katharina beging, sie doch auch politische
Prinzipien vertrat, die oft vernünftiger waren als die der Männer ihrer Zeit.
Katharina de’ Medici wurde am 13. April 1519 in Florenz geboren. Sie war Waise fast von Anfang an, zwei Wochen nach der Geburt
starb ihre Mutter Madeleine de la Tour d’Auvergne, 16 Jahre alt, und am 4. Mai noch im selben Jahr ihr Vater, Lorenzo de’
Medici, der Herr von Florenz. Unter der Fürsorge ihrer Tante mütterlicherseits, Clarissa Strozzi, wuchs sie heran. Zu ihrem
Erzieher war der Kardinal Giulio de’ Medici bestellt, der 1523 als Klemens VII. den päpstlichen Thron bestieg.
In Katharinas elftes Lebensjahr fällt ein Ereignis, das eine Art Schlüsselerlebnis werden sollte. In Italien tobte Krieg,
Rom war von kaiserlichen Truppen erobert und geplündert worden. Als der Papst danach mit dem Kaiser Frieden schloss, brach
in Florenz ein Volksaufstand aus, der die Herrschaft der Medici beendete. Die Revolutionäre betrachteten die kleine Katharina,
die im Murate-Kloster in der Stadt wohnte, als ihre Geisel. Im Oktober 1529 belagerten kaiserliche und päpstliche Truppen
die Stadt. Der Winter und der folgende Sommer vergingen, ohne dass Florenz fiel. Aber innerhalb der Stadtmauern breiteten
sich Hungersnot, Seuchen und Elend aus. Ein Aufstandsversuch zugunsten der Medici verschlimmerte die Situation weiter, radikale
Kräfte verlangten nun, dass die Geisel ins Bordell gesteckt oder den Soldaten überlassen würde. Die republikanische
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