Frauen, die Geschichte machten
Augenzeuge berichtet von der natürlichen
Schönheit der blond gelockten Margarete: »Sieht man sie, so könnte man meinen, Venus selbst zu erblicken … Die Tochter des
Kaisers, die den eisigen Armen des Nordwinds entkam, ist von höchster Anmut und braucht weder Koketterie noch Schminke.« Besorgt
aber fragte sich dieser Gewährsmann angesichts von so viel Liebreiz auch gleich, ob das gut gehen könne, »denn unser junger
Prinz schwindet dahin, verzehrt von Leidenschaft«.
Die Skeptiker sollten sich bald bestätigt sehen: Im Herbst desselben Jahres musste Johann seine im sechsten Monat schwangere
Frau Margarete für kurze Zeit verlassen, erkrankte und starb in den ersten Oktobertagen. Der Schock warf auch die früh verwitwete
Margarete aufs Krankenlager; ihr Kind kam tot zur Welt. In dieser schweren Zeit entstand wohl der eingangs zitierte Wahlspruch,
an dem sich die Kaisertochter aufzurichten suchte. Dabei half ihr die ebenfalls tief trauernde Schwiegermutter Isabella. In
der Zeit, in der sie auf die Regelung ihrer Witwenansprüche wartete, schloss sie sich Isabella an, diente ihr als Dolmetscherin
und lernte bei ihr die Staatskunst. Zwei Jahre lang, dann ging es zurück in die Niederlande. Dieses Mal per Kutsche durch
Frankreich, denn ihre letzte Seefahrt war Margarete noch gut in Erinnerung.
Am 4. März 1500 erreichte sie Gent und konnte wenige Tage später als Patin den zwei Wochen alten Neffen Karl, den künftigen
Kaiser, über das Taufbecken halten. Karl war das zweite Kind des Bruders Philipp und seiner spanischen Frau Johanna. Margarete,
die ihr Kind verloren hatte, mag schon hier mütterliche Gefühle für den Kleinen und seine zweijährige Schwester Eleonore entwickelt
haben. Wieder aber ließ ihr der Vater wenig Zeit, die liebevolle Tante zu spielen. Eine 20-jährige Witwe galt damals schon
nicht mehr als jung, ihre Möglichkeiten auf dem Heiratsmarkt wurden immer geringer. Der gleichaltrige Philibert II. von Savoyen,
wie der Bruder mit dem Beinamen »der Schöne« geschmückt und wie Margarete erst kürzlich verwitwet, bot sich daher förmlich
an und wurde von Kaiser Maximilian durch eine großzügige Mitgift geködert. Einmal konnte der fürsorgliche Vater hoffen, dass
der schmucke Jagdliebhaber und Frauenschwarm Margarete aus dem Trauertal führen würde, zum anderen, |111| und das gab natürlich den Ausschlag, war Philibert Herr über ein Gebiet, zu dem Nizza und Turin gehörten und das sich nach
Norden über die Alpen bis zum Genfer See erstreckte. Für die Ambitionen der Habsburger ein unschätzbares Einfallstor in die
Lombardei.
Im Jahr 1501 stand der Ehevertrag, Margarete machte sich nach Süden auf und war von Gemahl Nummer drei ebenso positiv überrascht
wie seinerzeit von Johann, nicht nur wegen seines angenehmen Äußeren, sondern auch wegen seiner offenen, galanten Art. Und
auch für den Bräutigam wurde die Eheschließung am 11. Dezember offenbar mehr als eine Pflichtübung – die Hochzeitsnacht soll
sich bis tief in den nächsten Tag hingezogen haben. Dann aber widmete sich der frisch gebackene Ehemann wieder seinen anderen
Vergnüglichkeiten, Jagden, üppigen Gelagen und höfischem Getändel. Für Staatsgeschäfte nahm er sich nur die allernötigste
Zeit und war begeistert, dass seine Frau dafür offensichtlich großes Interesse hegte. Er ließ sie gewähren und fuhr gut dabei:
Margarete deckte ein Komplott seines Halbbruders René auf, bootete den Ehrgeizling aus und lenkte nun selbst die Geschicke
Savoyens. Reformen des Rechtswesens und der Verwaltung, Impulse für die Wirtschaft und Ausbau der Infrastruktur sind mit ihrem
Namen ebenso verbunden wie die Bemühungen, das Land aus den kostspieligen und blutigen Händeln der Großmächte herauszuhalten.
Ehe das alles sichtbar Frucht tragen konnte, waren die schönen Tage von Schloss Pont-d’Ain, nordöstlich von Lyon, bereits
wieder vorüber, denn der schöne Philibert holte sich durch einen kühlen Trunk nach hitziger Jagd 1504 den Tod. Seine Frau
musste die Regierungsgeschäfte abgeben und widmete sich in den nächsten beiden Jahren dem Andenken ihres Mannes, zu dessen
Ehren sie die spätgotische Kirche im nahen Brou bei Bourg-en-Bresse errichten ließ. Vielleicht legte sie hier das Gelübde
ab, sich nie wieder zu verheiraten und bis zum Lebensende Witwenkleidung zu tragen: »Meine Wahl ist ein für alle Mal getroffen,
anders wird es nimmer sein.« Anträge des
Weitere Kostenlose Bücher