Frauen, die Geschichte machten
selbst literarisch. Das, was sie in ihre »Albums poetiques« schrieb, erreicht nicht unbedingt
höheren literarischen Rang, zeigt aber das Bemühen der nun schon reifen Frau von fast vierzig Jahren, sich tiefere Rechenschaft
zu geben, als das ihre Standesgenossen gemeinhin taten. Was immer sie geistig weiterzubringen versprach, fand ihr Interesse:
Margaretes Kunstsammlung war weithin berühmt, ihre Bibliothek für die Zeit reich bestückt, und in ihrem Besucherzimmer begegnete
man hoch gelehrten Herren wie Erasmus von Rotterdam und vortrefflichen Künstlern wie Albrecht Dürer. Sie wussten das gastfreundliche
Haus ebenso zu schätzen wie die Fördermittel, mit denen Margarete den Kulturschaffenden unter die Arme griff. Dabei ging es
ihr auch um den eigenen Nachruhm, wenn sie etwa den Bildhauer Conrad Meyt, einen Cranach-Schüler, mit Skulpturen für die Grabkirche
in Brou beauftragte. Dort wollte sie dereinst neben ihrem Mann Philibert beigesetzt werden.
Die Zeiten der Muße und der Musen aber gingen bald zu Ende. Margaretes einstiges Mündel Karl musste als König und Kaiser ein
Reich zusammenhalten, das von Gibraltar bis an die Elbe, von Sizilien bis an den Ärmelkanal reichte. Er brauchte daher in
allen Teilen des riesigen Gebiets loyale Statthalter, und für die wirtschaftlich so bedeutenden Niederlande wusste er keine
bessere Sachwalterin als die Tante, die schon dem Vater loyal gedient hatte. 1518 bat er sie, erneut die Last auf sich zu
nehmen. Margarete akzeptierte, und wenn sie einmal eine Aufgabe übernommen hatte, dann widmete sie sich dieser mit ganzer
Kraft. Das war nicht immer leicht, denn ihr kleines Reich war zwar wirtschaftlich gesegnet, doch gerade das weckte die Begehrlichkeit
der Großen und verführte auch Karl selbst immer wieder dazu, mehr an Abgaben und Steuern zu fordern, als dem Gedeihen der
Provinz zuträglich war. Gegen Feind und Freund suchte sie daher die Interessen der Niederlande zu wahren.
Das tat sie allerdings in einem zunehmend autoritären Stil, denn außer dem Neffen duldete sie niemanden über sich. So sehr
die flämischen Granden Margaretes Eintreten für ihr Land anerkannten, so wenig mochten sie sich mit dieser Gängelung abfinden.
Karl musste vermitteln, und es kam eine tragfähige Konstruktion adliger Mitregierung zustande. Margarete musste sie
nolens volens
akzeptieren, wusste sie aber auf die inneren Angelegenheiten der Niederlande und die wirtschaftlichen Belange zu beschränken.
Die Außenpolitik und |114| den direkten Draht zum Kaiser behielt sie sich vor. Und auf diesem Sektor lieferte sie schließlich ihr Meisterstück.
Wie schon in Savoyen empfand Margarete die militärischen Lasten, die die kleinen Länder für die Konflikte der großen zu leisten
hatten, als unerträgliche Bremse für eine gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung. Ökonomischer Erfolg allein aber konnte
auf Dauer Herrschaft sichern. Wie Savoyen war Flandern ein typisches Puffergebiet zwischen den notorisch verfeindeten Großmächten
in West und Ost. Hinzu kam dabei noch die persönliche Rivalität zwischen dem französischen Westherrscher Franz I. und dem
habsburgischen Ostkaiser Karl V., die schon 1519 aufgebrochen war. Damals hatten sich beide um die Kaiserkrone beworben, und
Karl hatte nur dank des Geldes, das ihm die Fugger vorstreckten, die Oberhand behalten, ein Makel, den er mit allen Mitteln
wettzumachen suchte. Franz dagegen verwand die damalige Niederlage nur schwer und kompensierte sie durch eine »Politik der
Nadelstiche« gegen Karl. Oberitalien und eben die Niederlande eigneten sich dazu in besonderer Weise, weswegen Margarete auch
unter den französischen Attacken litt. Hinzu kam, dass der Kaiser in den ersten Jahren seiner Herrschaft bevorzugt im Süden
operierte und wenig, nach Margaretes Geschmack zu wenig für den Schutz seiner flämischen Heimat tat.
Franz I. hatte sich 1525 in der Lombardei nachhaltig die machtpolitischen Finger verbrannt und war sogar in kaiserliche Gefangenschaft
geraten. Nach Freilassung aufgrund eines erzwungenen Vertrages, an den er sich natürlich nicht gebunden fühlte, wurde er sofort
wieder in Oberitalien aktiv. Er unterlag im Frühsommer 1529 jedoch erneut den Kaiserlichen. Jetzt bestand höchste Gefahr,
dass er versuchen würde, sich im Norden schadlos zu halten. Margarete entsann sich daher einer Freundin aus der Kindheit am
französischen Hof: Louise von Savoyen hatte damals mit ihr
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