Frauen, die Geschichte machten
englischen Königs Heinrich VII. und ihres einstigen Schwiegervaters Ferdinand von
Aragón vermochten sie nicht wankend zu machen.
Auch den Appellen des Vaters, die Trauer abzulegen, konnte und wollte sie nicht entsprechen, zumal wiederum ein erneuter Trauerfall
geschah. Margaretes 28-jähriger Bruder Philipp der Schöne war am 26. September 1506 im nordspanischen Burgos ähnlichem Leichtsinn
wie ihr Mann erlegen: Herzschlag nach hitzigem Spiel und kaltem Trunk. Er hinterließ sechs Kinder und seine untröstliche schwangere
Frau Johanna. Diese hatte zwei Jahre zuvor die Mutter Isabella verloren und verkraftete den furchtbaren Schlag nicht. Lange
floh sie mit dem Sarg des geliebten Mannes vor dem Zugriff des Vaters und Königs durch Spanien und wurde schließlich wegen
geistiger Umnachtung für das restliche halbe Jahrhundert ihres Lebens auf die Festung Tordesillas verbannt. |112| Vom Volk wurde sie leicht gruselnd verehrt als
La loca d‘amor
– die Wahnsinnige aus Liebe.
Vier ihrer Kinder waren in den Niederlanden geblieben, als sich die Eltern nach Spanien aufgemacht hatten, wo Philipp sich
erfolgreich um Anerkennung als Erbe seines Schwiegervaters Ferdinand von Aragón bemüht hatte. Die vier in Flandern geborenen
Kinder Eleonore (1498), Karl (1500), Isabella (1501) und Maria (1505) vertraute der Großvater Kaiser Maximilian nun der Tochter
Margarete an, während Ferdinand, 1503 geboren, beim spanischen Großvater aufwuchs. Der gemütskranken Mutter Johanna in den
düsteren Mauern von Tordesillas blieb als kleiner Sonnenstrahl nur ihre jüngste Tochter Katharina, die am 14. Januar 1507
als Halbwaise zur Welt kam. Sitz der Familie wurde so das alte flämische Städtchen Mecheln an der Dijle, wo Margarete im ehemaligen
Bischofshof, einem weitläufigen, aber wenig freundlichen Gebäudekomplex, residierte und fast hundert Bedienstete für ihren
Haushalt und die Versorgung der Kinder zur Verfügung hatte. Sie plante denn auch bald einen Neubau, den sie nach ihrer »angeheirateten«
Heimat Hof van Savoyen benannte. Doch ehe dieser 1517 bezogen werden konnte, waren die Kinder bereits flügge geworden.
Das knappe Jahrzehnt bis dahin war für alle, den Prinzen Karl, die drei Prinzessinnen und
Madame la tante et bonne mère
, wie die Kinder sagten, eine glückliche Zeit. Dabei wurde nichts versäumt, was für die Ausbildung der künftigen gekrönten
Häupter nötig war. Erzieher aus allen Ländern des Reiches wurden an Margaretes Hof berufen, darunter auch ein so sittenstrenger
Mann und renommierter Theologe wie Adrian von Utrecht, 1521 bis 1523 als Hadrian VI. der letzte nicht italienische Papst bis
1978. Künstler und Dichter, Offiziere und Großkaufleute gaben sich in Mecheln die Klinke in die Hand, und zuweilen ließ sich
auch Kaiser Maximilian dort blicken. Oder er rief die Enkel zu sich an den Brüsseler Hof oder in sein Quartier nach Antwerpen
und erfreute sich an dem wohl geratenen und von der Tante offenbar bestens betreuten Nachwuchs. Sein Interesse galt freilich
immer auch der Eignung seiner Nachkommen für eheliche Verbindungen, und naturgemäß hatte er dabei zuvörderst die Mädchen im
Auge.
1514 musste sich Margarete zuerst von Maria trennen, die mit ihren neun Jahren dem noch ein Jahr jüngeren böhmisch-ungarischen
Thronerben Ludwig angetraut wurde. Zwei Monate später verließ die 13-jährige Isabella Mecheln und wurde Ehefrau des Dänenkönigs
Christian II. Nur Eleonore blieb noch so lange am Mechelner Hof, bis ihr Bruder Karl am 15. Januar 1515 vorzeitig als Herzog
von Burgund für mündig erklärt wurde und seinen eigenen Hofstaat in Brüssel bekam. Die ältere Schwester folgte ihm und blieb
dort, bis sie nach einem unglücklichen Liebesabenteuer 1519 den bereits über 50-jährigen König Manuel von Portugal heiraten
musste. Dafür sorgte nach Maximilians |113| Tod sein Enkelsohn Karl, der 1516 als Karl I. spanischer König und 1519 als Karl V. deutscher Kaiser geworden war. Ihn schien
zunächst am wenigsten mit Margarete zu verbinden, denn der angehende Herrscher war natürlich früh männlichen Erziehern übergeben
und so dem Einfluss seiner Tante entzogen worden. Erst später sollte sich zeigen, wie tief auch seine Beziehung zur umsichtigen
und liebevollen Ersatzmutter ging.
Sie war nun allein in ihrem neuen Palast, aber einsam war sie nicht. Sie verstand es, aus ihrem Hof ein geistiges Zentrum
zu machen, und betätigte sich auch
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