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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Barth
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ehrwürdige Konventionen über
     den Haufen, gab viel Geld aus und entzückte mit ihrer Schönheit und ihrem scharfen Witz die Zeitgenossen. Die Pfälzer Residenz
     in Heidelberg wurde zu einem
court d’amour
, zum Mittelpunkt französisch geprägter Liebes- und Lebenskunst. Natürlich gab es auch Probleme und Reibereien. Elisabeth
     machte keine Anstalten, Deutsch zu lernen. »Dutch«, wie sie in bemerkenswerter Unkenntnis der geographischen Verhältnisse
     sagte, war ihr zu schwer. Sie zog es vor, mit den zahllosen englischen Höflingen, die mit in die Pfalz gekommen waren, in
     ihrer Muttersprache zu plaudern. Diese wiederum pflegten sich bei Verrichtung zeremonieller Dienste vorzudrängeln, was bei
     Tafel oft genug in peinliche Rempeleien mit ihren deutschen Standesgenossen ausartete, wenn beim Bratenvorlegen oder Einschenken
     ein Adliger dem anderen die Teller oder Gläser aus der Hand riss. Um das Chaos voll zu machen, turnten auch Elisabeths Affen
     ungeniert über die Tische hinweg, und die Hunde wuselten den Gästen um die Beine herum. Auch von den Repräsentationspflichten
     einer Landesmutter wollte die englische Königstochter wenig wissen, und während ihrer ersten Schwangerschaft verhielt sie
     sich ebenso leichtsinnig: Noch bis kurz vor der Niederkunft ritt sie aus. Das entsprach nicht gerade dem Verhalten, das die
     Pfälzer von einer Landesherrin erwarteten.
    Derweil trieb Europa auf die große Auseinandersetzung zu, die als Dreißigjähriger Krieg in die Geschichtsbücher einging. Dem
     Kurfürstentum Pfalz kam darin als Vorkämpfer der protestantischen Sache eine besondere Bedeutung zu. Im August 1619, eineinviertel
     Jahr nach dem Prager Fenstersturz, mit dem der Krieg ausbrach, wählten die aufständischen Böhmen statt des abgesetzten Habsburgers
     Ferdinand II. den Pfälzer Kurfürsten zum König. Und Friedrich nahm, gedrängt von seinen Beratern, die Wahl an. Damit lud er
     sich mehr auf, als er bewältigen konnte. Im Grunde war er ein Mensch, der sich die Zeit lieber mit der Jagd, mit Ballspielen,
     oder mit Feste feiern vertreiben wollte. Nun aber sollte er Politik machen.
    Ob auch seine Frau Elisabeth zu den Anstiftern und Einflüsterern beim böhmischen Abenteuer gehörte, ist nicht gewiss. Das
     Wort, das Elisabeth gesagt haben soll, nämlich dass sie lieber Sauerkraut mit einem König als Braten mit einem Kurfürsten
     essen wolle, ist vielleicht nur Legende. Auf jeden Fall ließ sie |140| es sich nicht nehmen, ihren Mann im Herbst 1619 trotz weit vorgerückter Schwangerschaft, mittlerweile der vierten, bei seiner
     Reise nach Prag zu begleiten. Der Einzug in die Hauptstadt Böhmens am 3. November 1619 gestaltete sich zu einem Riesenfest:
     Die Stadt war in Blau und Silber geschmückt, Silbermünzen mit der Aufschrift »Gott und die Stände gaben mir die Krone« flogen
     in die begeisterte Menge, und aus den Springbrunnen floss unaufhörlich Wein. »Es ist so prächtig hergegangen, dergleichen
     keinem Römischen Kaiser widerfahren«, schrieb ein Beobachter. In Staunen versetzte die Bevölkerung auch der Pomp, der bei
     Elisabeths Krönung drei Tage später entfaltet wurde.
    Als böhmischer König tat Friedrich, was er von zu Hause gewohnt war: Er feierte Feste. Mit dem Volk, das ihn eben noch jubelnd
     begrüßt hatte, verdarb er es sich rasch. Er zeigte keine Neigung, die Sitten und Gebräuche des Landes kennen zu lernen, badete
     nackt in der Moldau und ließ den calvinistischen Predigern, die mit ihm gekommen waren, freie Hand zu Bilderstürmereien in
     den Kirchen. Elisabeth stellte es kaum besser an. Ihr war keine der in Böhmen gebräuchlichen Sprachen geläufig, weder Deutsch
     noch Tschechisch noch Latein. Das tiefe Dekolletee, das sie bei jeder Gelegenheit zur Schau stellte, erregte bei der Bevölkerung
     Missfallen. Hinzu kam ihre Begleitung von Hunden und Affen, für die sich niemand recht begeistern konnte. Und vollends verspielte
     sie sich die Sympathie ihres Volkes, als ihr eines Tages aus Brot gebackene Rosen, die an das Rosenwunder der heiligen Elisabeth
     erinnern sollten, überreicht wurden. Die englische Prinzessin hatte vermutlich nichts von ihrer Namensschwester aus dem Mittelalter,
     der Landgräfin von Thüringen, noch von deren Legende gewusst. Die heilige Elisabeth macht sich trotz Verbots mit einem Korb
     voller Speisen auf zu den Armen, und als sie überrascht wird und den Korb öffnen muss, haben sich die Speisen in Rosen verwandelt.
     Die junge

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