Frauen lügen
nicht mehr schreiben können.
Wenn
es so weitergeht …
Frustriert beschließt Hübner zu gehen. Was ist schon geschehen? Eine Immobilie dieses verwöhnten Mädchens da drüben, das längst eine Frau ist, hat Schaden genommen. Da ließ sich die Rückkehr der Besitzerin auf die Insel ihrer Jugend wohl nicht mehr vermeiden. Pech für ihn, dass er sich ausgerechnet diesen Abend ausgesucht hat, um seinen Kaffee im
Rauchfang
zu trinken und auf diese Weise mit seiner Vergangenheit konfrontiert zu werden. Hübner legt einen Geldschein auf den Tisch und steht entschlossen auf. Fast gegen seinen Willen wirft er einen letzten Blick zu der Blonden hinüber. Da geschieht das Wunder doch noch: Sie hebt leicht die Hand wie zum Gruß und lächelt ihn an.
Fred bleibt wie vom Donner gerührt stehen. Plötzlich ist alles wieder da: die Sehnsucht, das Verlangen. Aber Fred bemüht sich, seine Gefühle zu ignorieren, er reißt sein Fahrrad vom Zaun des Nebengebäudes und tritt in die Pedale, als gelte es, eine Meisterschaft zu gewinnen. Sein Weg führt ihn auf der asphaltierten Radstrecke quer durch die nächtlich duftende Heide, vorbei an dem Kampener und dem Wenningstedter Campingplatz mit ihren letzten Geräuschen. Bei den Hügelgräbern dagegen ist es ganz still, und auch am Wenningstedter Dorfteich ist niemand mehr unterwegs. Hübner sperrt die Eingangstür der gedrungenen Reihenhausanlage auf, in der sich seine Wohnung befindet. Er durchquert das offen gestaltete Erdgeschoss und nimmt sich noch eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank, bevor er nach oben in sein Schlafzimmer geht und wie betäubt ins Bett fällt.
Dienstag, 16 . August, 8.25 Uhr,
Haus Dünengrund, Kampen
Als Silja Blanck vor dem Grundstück des Ehepaares Michelsen aus ihrem Kleinwagen steigt, kommt ihr das eigene Auto noch winziger vor. Alles ist in dieser Straße breit und mächtig. Die doppelflügeligen Friesentore, die sich beidseitig anschließenden Wälle aus Naturstein, die Heckenrosenpflanzen auf den Wällen und besonders natürlich die protzigen Karossen und die reetgedeckten Villen dahinter.
Nur wenige Sekunden nachdem Silja geklingelt hat, ertönt ein scharfes Summen, das es ihr ermöglicht, das Tor aufzudrücken. Am Ende des Kiesweges führen zwei flache Stufen hinauf zu einer blau-weiß lackierten Eingangstür, in der eine überschlanke, attraktive Dame lehnt. Sie trägt einen Zopfmuster-Pullover über ihrer Jeans und Wildleder-Slipper an den Füßen. Ihr auffallend hellblondes Haar ist zu einem lässigen Knoten gesteckt, aus dem sich einzelne Strähnen gelöst haben und das aparte Gesicht umschmeicheln. Wenn Silja Blanck nicht aus ihren Recherchen wüsste, dass Susanne Michelsen 43 Jahre alt ist, würde sie sie vermutlich auf Mitte dreißig schätzen.
»Hallo Frau Kommissarin. Wir haben vorhin telefoniert, oder?«
»Genau. Silja Blanck, guten Tag. Und vielen Dank noch einmal, dass Sie so schnell Zeit für mich hatten.«
»Aber ich bitte Sie, es ist doch mein Hotel, das in Flammen stand. Ich tue alles, um Ihnen die Ermittlungen zu erleichtern. Bitte kommen Sie herein.«
Durch eine schwarz-weiß geflieste Halle, deren hintere Seite direkt auf die Terrasse führt, geht die Hausherrin voran.
»Sie haben hoffentlich nichts dagegen, draußen zu sitzen?«
»Nein, gar nicht.«
»Es ist zwar noch ein wenig kühl, aber ich finde, am Morgen riecht die Insel immer besonders gut.«
Wie zur Bekräftigung ihrer Worte holt Susanne Michelsen tief Luft und weist mit der Hand auf die beiden Korbstühle, die einen runden Glastisch flankieren. Silja setzt sich und blickt sich um.
»Schön haben Sie es hier. Von der Straße ahnt man gar nicht, dass das Grundstück so riesig ist.«
»Ja, leider. Man kann es nicht einsehen, alle Nachbarhäuser sind hinter Hecken verborgen. Wenn hier mal jemand einbrechen will, dann hat er leichtes Spiel.«
»Das glaube ich kaum«, gibt Silja zu bedenken und deutet auf die beiden Kameras, die an den Hausecken direkt unter dem Reetdach angebracht sind.
»Natürlich haben wir die beste Alarmanlage, die man für Geld kaufen kann. Die ist allerdings so kompliziert, dass ich schon gar keine Lust habe, sie einzuschalten. Um ehrlich zu sein, verleidet mir der Gedanke daran seit Jahren jeden Aufenthalt auf der Insel. Obwohl ich von hier stamme, bin ich nur noch selten auf Sylt.«
»Trotz dieser prächtigen Villa?«
Susanne Michelsen zuckt mit den Schultern, als ginge es um ein Paar abgetragene Schuhe.
»Das Haus gehört
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