Frauen lügen
wird es keine Rettung mehr geben für alles, was ich vernichten will. Dann kommt der Moment der Abrechnung, auf den ich mich jetzt schon freue, unbändig und mit ganzem Herzen.
Montag, 15 . August, 6.15 Uhr,
Kriminalkommissariat Westerland
»Es kann nicht der Blitz gewesen sein, Sven. Der Hotelmanager hat eindeutig ausgesagt, dass der Speisesaal zunächst innen gebrannt hat. Das Dach hat erst später Feuer gefangen.«
»Vielleicht war es ein Kurzschluss in der Elektrik. Verursacht von einem Blitz. Dann könnte das Feuer auch von innen gekommen sein.«
Nervös fährt sich Sven Winterberg durchs Haar. Die vollen dunklen Wellen sind wie immer sorgfältig gestylt. Aber die wohlmanikürten Hände des Kriminaloberkommissars bewegen sich längst nicht mehr vorsichtig genug, um die Ordnung auf seinem Kopf nicht durcheinanderzubringen. Denn Sven Winterberg ist kurz vor dem Umfallen. Gestern Abend hat er mit seiner Frau Anja in deren 40 . Geburtstag hineingefeiert. Sie hatten das Haus voller Gäste und waren erst weit nach Mitternacht im Bett.
Sven Winterberg lebt mit seiner Frau und der achtjährigen Tochter Mette in dem von Anjas Eltern geerbten Haus in Kampen. Damit gehören sie zu den wenigen echten Syltern, die noch auf der Insel geblieben sind. Die meisten Normalverdiener haben längst angesichts der horrenden Gebote der örtlichen Immobilienhaie aufgegeben und ihr Sylter Domizil gegen eine billigere Wohnung oder ein kleines Häuschen auf dem Festland getauscht. Jetzt bevölkern sie Morgen für Morgen den Pendlerzug über den Hindenburgdamm. Für die Einsatzkräfte bei der Polizei und der Feuerwehr ist diese Lösung aus arbeitstechnischen Gründen aber heikel. Schließlich müssen sie jederzeit abrufbereit sein, falls ein Notfall vorliegt. Zum Glück gehört neben Sven auch die Jungkommissarin Silja Blanck zu den Inselbewohnern. Sie hat eine winzige Wohnung in der Westerländer Innenstadt gemietet, die den großen Vorteil bietet, dass die Kommissarin zu Fuß das Polizeigebäude erreichen kann.
Als letzte Nacht der Notruf kam, dauerte es keine halbe Stunde, bis Oberkommissar Sven Winterberg und seine Kollegin vor Ort waren. Seitdem sind die beiden im Einsatz, und der Schlafmangel macht sich jetzt deutlich bemerkbar. Der schmale, feingliedrige Körper des Oberkommissars sendet bereits erste Notsignale. Als Sven sich der Kaffeemaschine in der Ecke seines Büros nähert, um seinen Becher aufzufüllen, sind seine Schritte leicht schwankend.
»Willst du auch noch was, Silja?«
»Ich hatte schon zwei Tassen. Mehr hält mein Kreislauf nicht aus. Lass uns lieber sehen, ob wir was zum Frühstück bekommen. Die Bäcker machen wahrscheinlich gerade auf.«
»Kluges Mädchen. Ich habe vorhin schon einem Kollegen Bescheid gesagt, er bringt aus Morsum ein paar Kliffkanten mit.«
»Kieler wären mir lieber.«
»Du kannst ihn ja anrufen und die Bestellung ändern.«
»Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte. Was hat er denn über die Lage am Morsumer Bahnhof gesagt?«
»Noch ist alles undurchsichtig. Die Insel-Feuerwehr kam relativ spät, weil sie ja mit dem Hotel beschäftigt war. Das Feuer ist in einem Wartehäuschen an der Bushaltestelle neben dem Bahnhof ausgebrochen, nicht im Bahnhofsgebäude selbst. Wie überall auf der Insel war das Häuschen reetgedeckt. Es hat natürlich gebrannt wie Zunder. Der Backsteinbau des Bahnhofs war feuerresistent, und drumherum stehen auch nur Häuser mit Ziegeldächern. Zum Glück konnte ein Mieter des benachbarten Wohnhauses nicht schlafen, hat den Brand gesehen und uns alarmiert. Darum ist auch niemand verletzt worden.«
»Und zum noch größeren Glück hat der Bahnhof kein Reetdach.«
»Das nicht. Aber weißt du, was merkwürdig ist? Bis etwa zwei Uhr morgens gibt es dort Zugverkehr. Dann verlässt der letzte Bahnangestellte seinen Arbeitsplatz. Und eine halbe Stunde später fängt es an zu brennen.«
»Du denkst, das war kein Zufall?«
»Zum Denken bin ich zu müde. Aber auffällig ist es schon.«
»Vielleicht hatte um diese Zeit das Gewitter gerade seinen Höhepunkt erreicht. Das können uns die Meteorologen sicher sagen. Hinterher wissen die ja immer alles ganz genau. Nur vorher kannst du nicht erfahren, ob es in zwei Stunden regnen wird oder nicht.«
Silja Blanck verdreht die Augen und lässt ihren grazilen Körper auf einen der Bürostühle sinken. Seit sie mit dem Kollegen Bastian Krüger von der Kriminalpolizei Flensburg liiert ist, hat sie noch um einiges an Sexappeal
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