Frauen rächen besser: Roman (German Edition)
eins mit der Musik und mit dem Partner. Die liefern auf Anhieb ein echtes Feuerwerk ab.
Wobei man aber sagen muss, dass das seltene Ausnahmen sind.
Opa und Barbie jedenfalls waren solche mit dem höflichen Tanzlehrer. Korrekt wie aus dem Lehrbuch, und es sah auch nicht aus, als müssten sie noch mitzählen bei den Schritten. Aber andererseits war es doch eher eine steife Angelegenheit, so eine Besen-im-Kreuz-Geschichte.
Ich dagegen, ich war so eine mit dem Feuerwerk, eine von den seltenen Ausnahmen. Tanzen liegt mir einfach. Und dann schlug meine Stunde. Die Band stimmte »Rock around the Clock« an, das konnte ich mir nicht entgehen lassen.
Felipe hatte nämlich gar nicht so Unrecht gehabt mit seiner Vermutung. Ich hatte tatsächlich einmal an Tanzturnieren teilgenommen, genauer gesagt an Rock’n’Roll-Turnieren. Noch genauer: Rock’n’Roll-Akrobatik. Vor langer Zeit. Als Teenager.
So, jetzt ist es heraus.
Ich hatte damals mehrere Aufbaukurse belegt, mit einem Freund, Freddy hatte der geheißen, und wir waren ziemlich gut – bis uns die Natur ein Schnippchen schlug.
Beim Erwachsenwerden ist es nämlich so, dass wir Mädchen ab einem bestimmten Alter ein Tempo in Sachen Wachstum vorlegen, bei dem die Jungs einfach nicht mithalten können. Da kann es vorkommen, dass ein Gleichaltriger, mit dem du dich noch am Vortag ganz nett unterhalten hast, plötzlich richtig kindisch wird, indem er dir nur noch auf den Busen starrt. Und das nicht, weil ihm dein Busen so gefällt – obwohl das auch eine Rolle spielen könnte –, sondern weil du auf einmal um einen ganzen Kopf größer bist als er.
Und so ähnlich erging es mir mit Freddy. Nicht, dass der gestarrt hätte – dazu war er viel zu höflich –, aber irgendwann knapp vor meinem fünfzehnten Geburtstag begann er beim Tanzen eine beängstigende Geräuschkulisse aufzubauen. Anfangs war es nur ein leises Schnaufen, wenn er mich hochheben musste, doch dann kam mit jedem weiteren Training etwas Neues dazu: Aus dem leisen Schnaufen wurde ein lautes, dann folgte ein Pfeifen, schließlich ein Ächzen, und hin und wieder auch mal ein Stöhnen, als hätte er seinen ersten nächtlichen Erguss auf den Tag vorverlegt. Und manchmal waren es Geräusche wie bei einer Maus, der man gerade auf den Schwanz steigt. Nicht, dass ich jemals gehört hätte, wie eine Maus dabei klingt, aber eines weiß ich: Hätte Walt Disney mich damals beauftragt, ein Mäusequietschen zu imitieren, ich hätte Freddy ins Synchronstudio geschleift und mit ihm einen Hüftumschwung hingelegt, und das hätte hundertprozentig gepasst.
Das wäre noch nicht weiter schlimm gewesen, denn auf Geräusche achteten die Punktrichter ja nicht, und auch nicht auf Freddys Gesichtsfarbe, die sich bei den schwierigen Passagen von natürlichem Rosa in tiefes Purpur verwandelte.
Wirklich problematisch wurde es erst, als wir bei den Jugendlandesmeisterschaften antraten und Freddy mich nach einem Überschlag auffangen wollte. Da kam dann nämlich weder ein Schnaufen noch ein Ächzen noch ein Stöhnen, und auch kein Quietschen; dafür aber ein leichtes Schnalzen.
Eine seiner Bandscheiben hatte sich soeben verabschiedet, sprich: ein klassischer Vorfall, und auffangen konnte Freddy dann natürlich gar nichts mehr. Seitdem kann ich in Sachen Bruchlandung einiges mitreden, denn ich schlug in den Parkettboden ein wie ein Kamikaze in einen Flugzeugträger, und rückblickend muss ich sagen, Glück gehabt, dass nicht mehr zurückgeblieben ist als die kleine Narbe am Kinn.
Aber natürlich, kein Unglück ohne tief greifende Erkenntnis, und von da an wusste ich, dass es bei Rock’n’Roll-Akrobatik eher ungünstig ist, wenn der weibliche Partner zehn Kilo mehr wiegt als der männliche.
Aber auch etwas anderes weiß ich seit damals: Beim Rock’n’Roll kann mir keiner etwas vormachen, und diesen Trumpf gedachte ich jetzt gnadenlos auszuspielen. Also legte ich mit Sammy los.
Und dann wusste ich schon wieder nicht, woran es lag.
Vielleicht war der Umstand schuld, dass Sammy nicht viel schwerer war als seinerzeit mein braver Freddy, wobei man das jetzt in der richtigen Relation sehen muss. Denn natürlich war Sammy schwerer als Freddy mit seinen damals vielleicht fünfzig Kilo, aber das mit den zehn Kilo Differenz zwischen männlichem und weiblichem Tanzpartner dürfte schon hingekommen sein.
Oder aber es lag daran, dass auch der Opa und sein Püppchen zeigen wollten, was sie in Sachen Rock’n’Roll drauf haben, denn die
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