Frauen rächen besser: Roman (German Edition)

Hauptes davonschritt.
    Und hätte mir zu diesem Zeitpunkt irgendjemand prophezeit, dass sich ausgerechnet dieser alte Kerl schon am nächsten Tag in meinem Höschen wiederfinden würde, hätte ich ihn glatt für verrückt erklärt.

15
     

     
    »Fühlst du das?«
    »Ja, es kitzelt.«
    »Und hier?«
    »Autsch, da tut es weh!«
    »Und da?«
    »Da ist es angenehmer, und es kitzelt auch nicht so.«
    »Gut, dann dreh dich mal zur Seite, vielleicht geht es dann.«
    »Keine Chance! Wenn du nicht kräftig zupackst, funktioniert es nie.«
    »Versuch mal, das Becken zu heben.«
    »Geht nicht, hab ich schon probiert.«
    »Vielleicht sollten wir auf Isa warten, dann machen wir es zu dritt.«
    »Gute Idee.«
    Es ist schon seltsam, wie man die Beherrschung über seinen Körper verlieren kann. Ich meine, jeder hat schon mal gehört, wie es sich anfühlt, wenn man gelähmt ist. Man spürt nichts, und man kontrolliert auch nichts. So wird es einem gesagt.
    Bei mir war es aber so, dass ich nichts kontrollieren konnte, dafür aber umso mehr spürte. Oder genauer gesagt, ich konnte nichts kontrollieren, weil ich so viel spürte. Mein Körper war schon ein einziges Zentrum des Schmerzes, wenn ich nur ruhig da lag, aber sobald ich mich zu bewegen versuchte, ging ein wahres Inferno los. Dann durchzuckte es mich, als hätte der liebe Gott höchstpersönlich seinen mächtigsten Blitz durch meine Gliedmaßen gejagt, als Strafe für ich weiß nicht was.
    Eine Zeit lang hatte ich versucht, aus eigener Kraft aus dem Bett zu kommen, doch schließlich hatte ich eingesehen, dass es ohne fremde Hilfe nicht ging. Zum Glück hatte ich mir Roxies Zimmernummer gemerkt und sie über das Haustelefon zu Hilfe rufen können. Nicht einmal das war mir leicht gefallen, obwohl das Telefon keinen Meter von meinem Bett entfernt auf dem Nachtkästchen stand. Denn sogar die Hand zu heben und den Telefonhörer abzunehmen erfordert Muskelarbeit, und zwar eine ganze Menge. Und langsam dämmerte es mir, dass der Quadrizeps tatsächlich zum Generalstreik aufgerufen hatte und allmählich die Oberhand gewann und dass ihm alle, aber auch wirklich alle Muskeln meines Körpers folgten, anscheinend sogar die, die ich bei meinem Training gar nicht beansprucht hatte.
    Als Isa dann kam, hielt sie mir natürlich gleich eine Standpauke wegen meiner Unvernunft.
    Als ob ich keine anderen Sorgen gehabt hätte.
    Das Problem war nämlich nicht nur, dass die beiden mich aus dem Bett wuchten mussten wie ein komatöses Flusspferd und ich rein gar nichts dazu beitragen konnte. Sobald ich nämlich auch nur ansatzweise versuchte, irgendeinen Muskel anzuspannen, schickte der mir via Nervenbahnen einen Schmerzimpuls ins Gehirn, dass ich schrie wie Olli Kahn nach einem Eigentor. Mit dem Schreien wurde die Sache aber auch nicht leichter, obwohl man das jetzt glauben sollte.
    Allgemein ist es nämlich so, dass im Leben vieles leichter geht, wenn man dabei kräftig schreit. Ein Vorarbeiter auf dem Bau zum Beispiel, stellen Sie sich den mal ohne Schreien vor. Dem würden seine Kulis was husten. Sobald er ihnen jedoch mit siebzig Dezibel die Ohren durchpustet, rührt sich was.
    Oder das Kinderkriegen. Müssten die angehenden Mamis dabei leise wie die Mäuschen sein, könnten sie einem wirklich Leid tun. So aber, nachdem sie in dieser anerkannten Ausnahmesituation ja brüllen dürfen wie ein schottischer Freiheitskämpfer, ist es das reinste Kinderspiel. Da flutschen die Kleinen nur so heraus, anfangs vielleicht ein bisschen schwerhörig von dem Lärm, den Mami produziert, aber ansonsten gesund und rund. Es soll sogar schon Mütter gegeben haben, die bei der ganzen Schreierei gar nicht mitbekommen haben, dass sie bereits entbunden haben.
    Man sieht also, Schreien kann durchaus hilfreich sein.
    Mir jedoch half es rein gar nichts. Das Problem beim Schreien ist nämlich, dass man dazu eine Luftsäule braucht. Genau genommen kann man ohne Luftsäule überhaupt kein Geräusch erzeugen, nicht einmal ein Flüstern. Aber beim Schreien ist es natürlich noch viel problematischer. Dafür muss man nämlich kräftig ausatmen, und das geht wiederum nur, wenn man ordentlich mit den Bauchmuskeln nachhilft. Was bei mir natürlich ein Problem war, denn auch die hatte ich trainiert wie die Klitschkobrüder – und zwar beide zusammen –, und dadurch geriet ich in eine echte Zwickmühle. Sobald ich mich bewegte: Schmerz. Und sobald ich dann vor Schmerzen schrie: noch mehr Schmerz!
    Also ehrlich, es gibt Situationen