Frauen rächen besser: Roman (German Edition)
Kunden eine Reise in irgendein sonniges Land spendierten, und die Mitarbeiter durften mitfahren. Samt ihren jeweiligen Frauen/Freundinnen/sonstigen Anhängseln.
Eben dort auf Ibiza gab es so eine Wasserrutschenanlage, und damals war das etwas Neues, eine echte Sensation, nicht so wie heutzutage, wo jeder bessere Kindergarten so was herumstehen hat. Logischerweise kannte sich auch keiner so richtig aus damit, vor allem ich nicht, und natürlich hatte dann gleich jemand die beste aller Ideen: Nichts wie rauf auf das fetteste Gerät, und das hieß Kamikaze.
Man merkt schon, bei diesen Rutschen geht nichts ohne fernöstliche Namen, die einen grausamen Tod verheißen. Und das hat auch seinen Grund.
Als wir nämlich da hinaufstürmten, fiel mir auf einmal ein, dass ich gar nicht schwindelfrei bin, genauer gesagt dreht sich bei mir schon ab dem ersten Stockwerk alles, und eine zwingende Logik besagt, dass jemand, der tief hinunterrutschen will, vorher auch hoch hinaufklettern muss.
Als ich das kapierte, war es jedoch längst zu spät, denn die Treppe, die da geradewegs in den Himmel führte, war schmal, und die Menge, die hinter mir nachdrängte, war ungeduldig und schob mich mit der Unerbittlichkeit eines Bulldozers nach oben. Als ich dann das erste Mal von der Rutsche hinunterschaute, begann ich gleich zu hyperventilieren wie ein Agoraphobiker im Weltall, doch es gab kein Zurück mehr. Ich versuchte noch, mich am Rand der Rutsche festzuhalten, aber bei einem Gefälle wie in der Eignernordwand natürlich Bremswirkung gleich null, dafür aber siebenundzwanzig Brandblasen an jeder Hand. Bis ich dann im Wasser eintauchte, war ich in ein Wachkoma verfallen. Wach deshalb, weil ich noch mitbekam, dass ich unterging, und Koma, weil ich nie mehr aufgetaucht wäre, hätte mich mein Freund nicht rausgefischt. Und seit diesem Erlebnis habe ich panische Angst vor Rutschen, sogar vor den kleinen.
Und jetzt gleich noch eine Regel, die man niemals brechen sollte: Wenn dich ein dämlich grinsender Jo zu etwas auffordert, wovor du panische Angst hast, dann sag einfach nein. Nicht so wie ich, die jetzt lässig antwortete: »Ich glaube, wir beide haben unterschiedliche Maßstäbe, was Größe anbelangt, Jo. Ich für meinen Teil habe auf diesem Gelände noch keine große Rutsche gesehen.«
Da machte er Augen, der gute Jo.
Und dann machte ich Augen, als ich hinter den anderen die Treppe hochstieg, wobei ich sagen muss, dass diese Rutsche bei weitem nicht so schlimm war wie das Monster von Ibiza. Das lag einerseits daran, dass diese Treppe in Fels gehauen war, sodass man seitlich nicht hinuntersehen konnte, andererseits war sie längst nicht so hoch. Aber wie gesagt, für mich haben auch die Kleinen ihren Schrecken.
Und dann standen wir oben, und ich merkte, dass mein Körper schon wieder auf Hyperventilation umschaltete. Aber noch war nichts passiert, ich konnte ja die anderen vorausrutschen lassen, ein paar verblödete Jungs vorschicken – von denen gab es hier genug –, dann wieder die Treppe runterrennen und später, wenn Isa, Roxie und Jo gerade nicht aufpassten, von der anderen Seite ins Becken springen und so tun, als wäre ich gerutscht.
War eigentlich ganz easy, clever musste man sein.
Teil eins meines Planes verlief dann auch programmgemäß. Jo hechtete mit dem Kopf voran in die Röhre und zischte ab, als wäre das der absolute Spaß.
Teil zwei funktionierte auch noch tadellos. Roxie nahm zwei Schritte Anlauf und tat es Jo gleich. Ein Teufelsweib, kann man da nur sagen, Hut ab.
Fehlte nur noch Teil drei: Isa. Doch die machte Schwierigkeiten.
»Nach dir, Heike.«
Ahnte sie etwas?
»Nein, nein, Isa, ich rutsche als Letzte. Mach ich immer so.«
»Quatsch, nun mach schon, die warten schon da unten!«
Schön langsam machte sie mich wütend. Wenn sie so weitermachte, lief sie Gefahr, von mir eigenhändig auf die Reise geschickt zu werden. Doch dann kam ihr das Schicksal zu Hilfe, und zwar in der Gestalt von – nun raten Sie mal! – Opa. Natürlich.
Der kam jetzt nämlich mit seiner Minderjährigen hochgeschnauft und stellte sich brav an das hintere Ende der Reihe. Und wartete, bis ich rutschte.
In diesem Moment wusste ich nicht, was größer war, meine Angst vor der Rutsche oder meine Wut auf diesen Kerl. Doch dann überwog die Wut, und ich setzte mich zähneknirschend in diese verdammte Rutsche, und los ging es.
Bis zur ersten Kurve behielt meine Wut die Oberhand, und ich fluchte noch immer innerlich vor mich
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