Frauen rächen besser: Roman (German Edition)
man mittelschwere Probleme hat, und bei wirklich hartnäckiger Verstopfung zehn. Maximal. Und ich hatte ein ganzes Fläschchen voll, das sind … ich weiß nicht so genau, aber auf jeden Fall genug, um die gesamte japanische Sumoringer-Nationalmannschaft für den Rest der Woche aufs Klo zu schicken.
Und jetzt, beim Abendessen, war meine Zeit gekommen. Ich hatte nämlich beobachtet, dass auch Opa und Barbie nicht nur von Luft und Liebe lebten, sondern genau das praktizierten, wofür sie mich mit ihren Blicken straften: Die gingen immer mehrmals ans Buffet und holten Nachschub, und genau diese Gier sollte ihnen zum Verhängnis werden.
Also verabredete ich mich mit Isa und Roxie um halb acht zum Essen – Opa und Barbie kamen meistens schon um sieben, also würde mir genug Zeit bleiben – und um zwölf nach sieben war es dann so weit: Die beiden standen auf, um sich den zweiten Gang zu holen, und ließen ihre Gläser mit Orangensaft sträflich allein.
So viel Leichtsinn musste einfach bestraft werden.
Ich nahm die zwei Gläser, die ich vorher präpariert hatte – und zwar weder mit fünfzehn Tropfen wie bei den mittelschweren Fällen, noch mit fünfundzwanzig Tropfen wie beim angehenden Darmverschluss, sondern mit dem Inhalt der ganzen Flasche, gerecht geteilt durch zwei –, ging damit an ihren Tisch und setzte mich. Dann tat ich so, als bemerkte ich, dass ich versehentlich am falschen Platz gelandet war, nahm ihre Gläser mit, und ehe jemandem etwas auffiel, war ich auch schon wieder weg.
Dann genoss ich mein Essen und beobachtete aus sicherer Entfernung, wie sie ihren verhängnisvollen Cocktail schlürften. Zuverlässig, hochwirksam, aber ganz gewiss nicht schonend bei dieser Dosierung. Insgeheim schloss ich mit mir selbst Wetten ab, wer von den beiden als Erster Wirkung zeigen würde, und ich hätte eigentlich auf den Opa getippt. Schließlich gewann aber Barbie, und das mit haushohem Vorsprung. Knapp nach halb acht – Isa und Roxie waren inzwischen auch schon da – machte sie plötzlich Augen wie eine Kuh, die zum ersten Mal besprungen wird, und startete Richtung Klo, als gäbe es dort einen Modeausverkauf.
Fünf Minuten später war dann der Opa dran. Der war noch ein bisschen schneller, und hätte jemand mitgestoppt, wäre der Hundert-Meter-Weltrekord zerbröselt wie ein Leibniz-Keks zwischen Ottfried Fischers Zähnen.
»Dir scheint’s ja wieder gut zu gehen«, sagte Isa, als sie mich lachen sah. »Haben die Tropfen gewirkt?«
»O ja«, antwortete ich. »Das haben sie, Isa, und wie.«
Opa und Barbie sah ich dann den Rest des Abends nicht mehr, und ich kann gar nicht beschreiben, was für eine befreiende Wirkung das auf mich hatte. Ich fühlte mich entspannt wie selten zuvor und genoss das Essen und den Nachtisch und die Show und auch das Tanzen danach. Die Peinlichkeiten der vorangegangenen Tage kümmerten mich kein bisschen mehr.
Und so feierte ich dann bis tief in die Nacht hinein, und diesmal war ich diejenige, die noch immer munter war, während Isa und Roxie und Jo schon kleine Augen bekamen. Als sie aufbrachen, um ins Bett zu hüpfen, beschloss ich, noch einen Drink zu nehmen. Ich war gut drauf, und ich wollte noch ein Abenteuer erleben.
Das ich dann auch bekam.
Und was für eines.
Ein guter Verbrecherjäger benötigt neben den grundsätzlichen Erfordernissen wie körperliche und geistige Fitness sowie Nerven aus Edelstahl jahrelanges Training, um seiner heiklen Aufgabe gewachsen zu sein. Ob beim FBI, beim BKA oder bei Scotland Yard, alle sind sich einig, dass sogar die Besten zuerst eine gründliche Ausbildung brauchen, um auf die Bösesten unter den Bösen losgelassen zu werden.
Bei mir jedoch reichten ein Pegel von schätzungsweise zwei Promille und meine angeborene Orientierungslosigkeit, um ein brutales Verbrechen zu verhindern und unschuldigen Menschen die körperliche Unversehrtheit, wenn nicht sogar das Leben zu retten.
Und das kam so: Das »Café Mozart« lag ganz im Norden des Clubgeländes, also von der Disco einen guten halben Kilometer Fußmarsch entfernt. Mir war das egal, denn ich war gut gelaunt, ich war fit, und ich war angetrunken. Und ich wollte unbedingt sehen, ob in dem Laden noch etwas los war. Außerdem trug ich diesmal Jeans und Turnschuhe, daher konnte ich durchaus etwas Sportlichkeit an den Tag legen.
Aus dem halben Kilometer wurde dann ein ganzer oder sogar zwei. Im Dunkeln sehe ich nicht besonders gut, und das mit der Orientierung … was soll ich lange
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