Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)
wie die Machtverhältnisse beinahe umgekehrt zu haben, und folgerichtig endet der dritte Band von Shades of Grey mit einem Epilog, in dem die Szene des Kennenlernens noch einmal, nun aus seiner Sicht, erzählt wird.
Shades of Grey bildet einen vorläufigen Endpunkt in der Entwicklung des modernen, auf eine weibliche Leserschaft zielenden Romans. Zu der weiblichen Leselust, die sich seit Richardson mit dem neuen Genre verband, gehörte stets eine gehörige Portion Lustlesen. Die in der Regel männlichen Kritiker dieses seinerzeit neuen Phänomens haben das schnell bemerkt und heftig dagegen polemisiert. Insbesondere dort, wo die sinnlichen Schilderungen der Liebe mit ihrer verführerischen Sprache die Leserinnen in Bann schlugen, witterten sie Unheil. Direkte Worte, worin das »Unheil« konkret bestehen sollte, fielen selten, aber es war schon klar, worum es ging. Phantasien beim und nach dem Lesen, die gegebenenfalls in sexuelle Handlungen mündeten: Selbstbefriedigung im Fall der einsamen Lektüre oder körperliche Liebe, wenn Paare gemeinsam lasen, was sehr häufig vorkam.
Was als sexuell erregend, gar als obszön wahrgenommen wurde, hat sich dabei im Laufe der vergangenen dreihundert Jahre verändert. Grundsätzlich wird man sagen dürfen, dass die Dosierung zunehmend erhöht wurde, während die Scham- und Peinlichkeitsschwelle sank. 1799, kurz vor der Wende zum 19. Jahrhundert, galt ein Satz wie der folgende, je nachdem, als unzüchtig oder scharf. »Wenn er sie«, so berichtet ein Julius aus dem Schlafzimmer, »im Zauberschein einer milden Dämmerung hingegossen sah, konnte er nicht aufhören, die schwellenden Umrisse schmeichelnd zu berühren; und durch die zarte Hülle der ebenen Haut die warmen Ströme des feinen Bluts zu fühlen.« So steht es in Friedrich Schlegels Roman Lucinde mit dem vielsagenden Titel Bekenntnisse eines Ungeschickten . Zu den Ungeschicktheiten und Unschicklichkeiten, von denen der kleine Roman handelt, zählt auch, dass Julius »oft« die Kleider »von der Geliebten riss und in schöner Anarchie umherstreute«. Das Vorbild dieser Geliebten war keine andere als Caroline, die Gattin seines Bruders. Der Höhepunkt des Liebesspiels von Julius und Lucinde bestand darin, dass sie »die Rollen vertauschten« und mit Lust wetteiferten, ob ihr »die schonende Heftigkeit des Mannes besser gelingt« oder ihm die »anziehende Hingebung des Weibes«. Hinter diesen Andeutungen verbargen sich gewiss keine sadomasochistischen Praktiken, aber es war doch auch mehr und anderes gemeint als bloßes Herumtändeln. Insbesondere die propagierte Austauschbarkeit der Geschlechterrollen im Liebesakt galt der zeitgenössischen Leserschaft als Gipfel der Anstößigkeit.
Zwischen der Zartheit, mit der in Lucinde über Sex gesprochen wird, und der Bewegungswut, mit der Leon die Kutsche mit Emma Bovary und ihm durch die hart gepflasterten Straßen von Rouen treibt, scheinen Welten zu liegen; und nochmals solche zwischen dem Erdbeermund von Tess und den silbernen Kugeln, die Anastasias Vagina ausfüllen, während ihr Dom ihr den Arsch versohlt. Die Leserin auf der anderen Seite des Buches hingegen ist in vieler Hinsicht die gleiche geblieben: getrieben von dem Wunsch, mehr von den verborgenen, gefährlichen Seiten des Lebens zu erfahren.
Dank
Ich widme dieses Buch all jenen Leserinnen und Lesern, die mir mit Rat und Tat, Ermutigung und Geduld, Anregung und Kritik, Kenntnis und Professionalität zur Seite standen bei seiner Konzeption, seinem Fortgang und hoffentlich seinem Gelingen. Namentlich möchte ich erwähnen: Antonia, Barbara, Christiane (Du vor allen), Elke, Elisabeth, Eva, Juliane, Karin, Marie Elisabeth, Marion, Regina, Tanja sowie last but not least Wolfgang Beck und Thomas Rathnow.
Auswahlbibliographie
Dieses Buch fußt auf zahlreichen literarischen Werken, Biographien sowie kulturgeschichtlichen Darstellungen und Quellen. Nachfolgend findet sich eine Auswahl der Werke, denen der Autor wichtige Hinweise verdankt. Ältere Ausgaben, die sich als E-Book kostenlos über Amazon beziehen lassen, werden als Kindle-Edition angeführt.
Andreas-Salomé, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Zwei Erzählungen. Kindle-Edition 2011.
Appel, Sabine: Caroline Schlegel-Schelling. Das Wagnis der Freiheit. Eine Biographie. München 2013.
Austen, Jane: Die Watsons, Lady Susan, Sanditon. Die unvollendeten Romane. Stuttgart 2011.
Austen, Jane: Kloster Northanger. Stuttgart 2007.
Austen, Jane: My dear Cassandra.
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