Frauenversteher
mehrmals durchlebt haben, kommt hier selten große Begeisterung auf, was die Vorfreude der Frau wiederum deutlich schmälern kann. Wenn sein Gequengel während der Anfahrt nicht nachlässt, sondern stärker wird, drohen einige Frauen sogar: »Wenn du nicht augenblicklich damit aufhörst, dann gebe ich dich gleich direkt in der Kinderbetreuung ab, dann kannst du dich im Bällchenbad ausheulen, bis ich dich da wieder abhole!« Somit gibt er klein bei, hält sich bedeckt und ergibt sich in sein Schicksal.
Gemeinsam betreten sie die heiligen Hallen von Billy, Bonde und Gutvik. Halt suchend schaut der Mann sich um, der Aufbau des Gebäudeinneren erschließt sich ihm erst nach Blick auf den »Lageplan« des Hauses. Augenblicklich überkommt ihn eine erste aufwallende Panik. Anstatt eines klar rechtwinkligen Aufbaus mit Mittelgang und durchnummerierten Abteilungen erkennt er ein labyrinthartiges Gewirr von verschlungenen Gängen, eigentlich ist es nur ein einziger Weg, der ihn durch sämtliche Abteilungen des Möbelhauses führt. Es offenbart sich ihm ein heimtückischer Versuch, die Besuchszeit künstlich auf das maximal Mögliche auszudehnen. Der mit Pfeilen auf dem Boden vorgezeichnete Weg zwingt ihm die größtmögliche Distanzbewältigung vom Eingang zum Ausgang auf. Wie viele Kilometer sind da abzulaufen? Er hätte seine Joggingschuhe anziehen sollen, um wenigstens gut gefedert zu sein. Vorsichtig tastend begibt er sich auf die ersten Meter einer schier endlos scheinenden Odyssee, die er von Besuch zu Besuch mehr zu hassen lernt. Und es ist nicht die Länge der Strecke allein, die ihm übel aufstößt. Es kommt noch hinzu, dass er jedes Mal, wenn er mit seiner Partnerin dort ist, den immer gleichen Weg komplett neu abzuschreiten hat und sich dabei die immer gleichen Möbel immer wieder ansehen muss.
Warum macht IKEA das? Weil Frauen es lieben.
Einige Frauen schlendern mit geradezu frommer Anteilnahme und in größter Seelenruhe über die Bodenpfeile, verharren hier, schauen dort und müssen noch mal kurz zurück, weil sie sich die Kommode unbedingt doch aus der Nähe ansehen müssen.
Es gibt Frauen, die bis zu viermal im Jahr (einige noch öfter!) in einen IKEA gehen, jedes Mal neu den vorgezeichneten Maximalweg bewältigen und jedes Mal neu an ein und derselben Kommode stehen bleiben. Sie prüfen sie von außen, legen dabei ihr Kinn auf Daumen und Zeigefinger, streichen mit den Händen über das Möbelstück, öffnen langsam ein paar Schubladen und testen dann die kleine Tür an der Frontseite. Das tun sie jedes Mal, auch noch beim vierten Besuch. Dann gehen sie in die Hocke und betrachten sich das Ganze erneut aus der Nähe, dabei visualisieren sie die Kommode in ihren eigenen vier Wänden und emotionalisieren die Momente, in denen sie die Kommode bei sich zu Hause anschauen, anfassen und mit Gegenständen befüllen.
Möbel können bei Frauen Gefühle auslösen. Während Männer fragen: »Wie viel passt da rein? Ist das auch stabil genug?«, interessieren sich Frauen mehr für die »Wärme« einer Farbgestaltung oder die Frage, wie gut sich das neue Möbel in das wohnliche Gesamtkonzept einfügen wird. Abermals richtet sie sich auf, tritt ein paar Schritte zurück, legt den Kopf auf die Seite und sagt dann schlussendlich mehr zu sich als zum bereits entnervten Partner: »Also diese Kommode gefällt mir jedes Mal besser. Anfangs fand ich sie gar nicht so toll, aber je öfter ich sie anschaue, desto besser finde ich sie. Ich glaube, wenn ich sie noch zwei-, dreimal anschaue, will ich sie haben, dann kaufen wir sie.« 8 An dieser Stelle rate ich Ihnen, einen kurzen Moment innezuhalten und sich diese Szene noch einmal zu vergegenwärtigen. Eine Frau schaut sich ein und dieselbe Kommode im Laufe eines Jahres mindestens viermal, vielleicht sogar öfter, prüfend an und kommt dann zu dem Ergebnis, dass sie ihr jedes Mal besser gefällt?
Wie kann das sein? Ich meine, sind wir ehrlich, es ist jedes Mal immer dasselbe Möbelstück. Es hat sich nichts an der Kommode verändert, gar nichts. Sie hat keine andere Farbe bekommen, sie ist nicht größer geworden, sie hat keine zusätzlichen Extras erhalten und wurde auch nicht »gepimpt«. Es bleibt immer dieselbe Kommode. Wie kann man dann jedes Mal mehr Gefallen daran finden?
Männern gelingt das nicht, denn Männer gehen ganz anders an die Möbelauswahl heran. Erste Frage: Fehlt Stauraum im Wohnraum? Falls nein, dann geht er auch nicht freiwillig in ein Möbelhaus, schon
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