Frauenversteher
haben, ich freue mich auf die nächsten zwei Stunden Geselligkeit mit dir, bei denen wir bitte nur das Allernötigste aussprechen und genau deshalb eine ganze Menge Spaß miteinander haben werden.«
Weibliche Begrüßungsrituale haben innerhalb von Freundeskreisen ganz anderen Charakter. Oft wird inniger Körperkontakt gesucht, es wird gedrückt, geküsst und geherzt. Die Frauen bezeugen sich dadurch ehrliche Zuneigung, die Bereitschaft, offen auf die Emotionalitäten der anderen einzugehen und die wohlige Wärme der Freundschaft auszustrahlen. Für viele Männer ist diese Art der Begrüßung nicht immer angenehm, es hängt sehr von der Sympathie der Küsschen ausführenden Person ab. Vielleicht hat das damit zu tun, dass bei einigen Männern die »Zwangsverknutschung« durch die eigene Großmutter noch während der einsetzenden Pubertät zu mitunter traumatischen Erlebnissen geführt hat.
Ich habe andererseits schon oft Frauen beobachten können, die augenscheinlich völlig begeistert Begrüßungsküsschen auch an Frauen verteilen, von denen der Mann (in diesem Falle ich) weiß, dass sie die beküsste Frau eigentlich gar nicht leiden können.
Wobei ich festhalten muss, dass sich meist die Männer den Ritualen der Frauen anpassen und freundlich Küsschen und Umarmungen erwidern, auch wenn sie es bei ihresgleichen nicht tun würden. Frauen hingegen passen sich seltener an männliche Begrüßungsrituale an, indem sie den Mann mit einem »High five« begrüßen und dabei lachend sagen: »Na, du alter Ferkelwämser? Alles fit im Schritt?«
Über Humor lässt sich (nicht) streiten
Sybille wirbelt ihre Jacke an die Garderobe und fährt fort: »Oh my god, ihr glaubt ja nicht, was mir heute passiert ist!«
»Erzähl, was denn?«, fällt Claudia sofort ein und ermuntert Sybille damit, ihre Geschichte zu erzählen.
»Ich war ja heute mit Ira beim Yoga.«
»Mit Ira? Etwa von Steffi die Ira? Die lesbische Ira?«
»Genau die. Du wirst nicht glauben, was bei denen in der WG los ist.«
»Gibt’s etwa wieder Ärger mit dem einzigen männlichen Mitbewohner?«
»Genau, man könnte sich ja fragen, warum ein lesbisches Pärchen mit einem heterosexuellen Pärchen in einer Wohngemeinschaft lebt, aber man steckt ja nicht drin, nicht wahr?«
»Das habe ich mich auch schon oft gefragt.«
»Jedenfalls sitzen die mal wieder zu viert am gemeinsamen Küchentisch und haben WG-Besprechung.«
»Warum? Gab es einen Anlass?«
»Natürlich Marc, der einzige Kerl in der WG.«
Peter hört nur mit einem Ohr zu, die Geschichten von der »gemischten« Pärchen-WG kennt er schon. Meist handelt es sich um Variationen ein und desselben Themas: Der Mann ist entweder der Dumme oder das Ferkel. Peter hat den Verdacht, dass Sybille die Geschichten vom WG-Marc nur als Vorwand nimmt, um »durch die Blume« Andreas und Peter und wahrscheinlich die Männer generell zu verunglimpfen. Es ist nicht zu überhören, dass Sybille wie immer Partei für die homosexuellen Frauen ergreift.
Peter ist zwar nicht der Meinung, dass er Marc verteidigen muss oder generell seine Artgenossen zu vertreten habe, es nervt ihn aber, mit welcher Aggressivität und Selbstverständlichkeit Sybille über den wehrlosen Marc in dessen Abwesenheit herzieht. Er hört etwas genauer hin, um sich zu vergewissern, was sie heute gegen ihn vorzubringen hat.
»Ihr wisst ja, dass die da in der WG so einen Putz- und Ordnungsplan haben, nicht wahr? Jedenfalls hält sich Marc, dieser Versager, offensichtlich schon seit längerer Zeit nicht besonders gewissenhaft daran.«
Peter lehnt sich innerlich zurück. Irgendwie will er Sybille ihr Rumgehacke auf Marc und den Männern diesmal nicht ungestraft
durchgehen lassen. Irgendetwas in ihm sträubt sich, er kann Sybilles Art einfach nicht länger ertragen. Peter schaltet sein Gehirn auf erhöhte Wachsamkeit, während er Sybilles Ergüssen zunächst stumm weiter zuhört.
»Alle vier Wochen ist er mit diesen Aufgaben dran, die reihum die Mädels auf ihre Weise bestens erledigen. Aber, was soll ich euch sagen? Er tut es nicht! Jedenfalls nicht richtig! Er bringt den Müll nicht raus, spült das Geschirr nicht ordentlich ab, und die Blumen gießt er auch nicht, könnt ihr euch das vorstellen? Ich meine, also bitte, was ist schon groß dabei? Bei den Frauen gibt es da natürlich nie Probleme. Nur der eine Kerl in der WG, der kriegt das nicht hin.«
Peter nutzt die Gelegenheit, um kurz, aber prägnant die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu ziehen,
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