Frauenversteher
des »Fremdschämens« überkommt, jedenfalls geht es Peter so. Er versucht, seine Abneigung im Sinne eines gütlichen Zusammentreffens der Paare
hinter einer Maskerade freundlicher Unverbindlichkeit zu verbergen. Sybilles Freund Andreas kann einem leidtun, findet Peter. Sicher hat er in der Partnerschaft mit Sybille nichts zu melden.
Einer der kritischen Aspekte in der Beziehung zwischen Mann und Frau tritt auf, wenn es Antipathien gegenüber bestimmten Personen des neu hinzugewonnen Freundeskreises gibt. Allerdings offenbaren sich auch deutliche Unterschiede in der Art und Weise, wie Mann oder Frau damit umgehen.
Wenn, wie im oben beschriebenen Fall, der Mann die beste Freundin seiner Partnerin nicht leiden kann, dann wird er das, so er denn weise ist, seiner Partnerin niemals direkt sagen. Er wird versuchen, auf eigene, schweigsame Weise die nervige Person zu meiden, zu ignorieren oder zu umgehen. Sollte einem Mann doch einmal so etwas herausrutschen wie: »Also, deine angeblich beste Freundin geht mir ja so was von auf die Nerven, es ist mir wirklich peinlich, wenn wir in der Öffentlichkeit mit ihr zusammen gesehen werden«, dann kann er sich darauf gefasst machen, dass er fortan nicht nur ein Problem mit der besten Freundin seiner Partnerin, sondern auch mit seiner Partnerin selbst hat. Frauen messen der Beziehung zu ihrer »besten Freundin« geradezu symbiotischen Charakter zu, und wer die beste Freundin beleidigt, hat auch den Symbionten (oder besser: die Symbiontin) mitbeleidigt.
Bei Männern verhält es sich mit ihren besten Freunden hingegen etwas anders. Natürlich halten auch Männer fest zusammen und stehen in guter Freundschaft füreinander ein, sie lassen sich gegenseitig nicht im Stich und helfen einander, wo es nötig ist. Dennoch »verschmelzen« sie nicht so miteinander, wie das auf weiblicher Seite oft der Fall ist. Männer können daher auch besser mit Kritik gegenüber ihrem besten Kumpel umgehen. Darum dürfen Frauen es viel offener aussprechen, wenn sie bestimmte Eigenschaften am besten Freund des Partners nicht leiden können: »Dein ach so toller Freund stinkt, macht frauenfeindliche Witze und hat überhaupt keine Manieren, es ist schrecklich, wenn er mit dabei ist.« Eine so
von der Frau geäußerte Kritik werden viele Männer entweder als Kompliment werten, oder sie werden gelassen entgegnen: »Ja, stimmt, er kann schon ein echtes Arschloch sein, aber genau deshalb ist es ja auch so lustig mit ihm. Na ja, du musst ja beim nächsten Mal nicht mitkommen.« Männer sehen und respektieren die Fehler ihrer männlichen Freunde, sie können prima damit leben und sie werten Kritik daran nicht als persönliche.
Begrüßungsrituale
Punkt sieben Uhr stehen Andreas und Sybille vor der Tür.
Peter strafft sich, atmet noch einmal tief durch und versucht, seine Toleranzschwelle hochzufahren. Mit vom Zwiebelschneiden tränenden Augen und zerschnittenen Händen steht er trotz der Ankündigung des Besuchs ein wenig unvorbereitet im Flur.
»Wow, du siehst toll aus!«, begrüßt Sybille ihre Freundin ganz unecht, geradezu amerikanisch überzogen, wie Peter findet. Dann gibt es noch ein Küsschen hier, ein Küsschen da, und sogar Peter wird in die »Küsschen auf die Wange«-Mangel genommen, ohne sich ernsthaft zur Wehr zu setzen. Wie in einer dieser zahllosen amerikanischen Seifenopern, die Peter beim Zappen immer schnell wegdrückt, wirkt Sybille auf ihn. Wahrscheinlich wird sie gleich ständig »Oh my god!« ausrufen. Während Sybille sogleich mit wehenden Haaren den Flur entlangstürmt und mit ihrem ganzen Wesen die Wohnung für sich vereinnahmt, schlurft Andreas schüchtern wirkend hinterher und grüßt auf die ihm eigene, einsilbige Art: »Hi.«
»Hi«, grüßt Peter zurück.
Männern wird oft nachgesagt, sie würden sich nicht auf Subtext verstehen. Das allerdings ist nicht ganz richtig, wie ich an diesem relativ typischen Begrüßungsbeispiel kurz erläutern möchte. Wenn zwei Männer sich mit einem knappen »Hi« begrüßen, beinhaltet das mehr Subtext, als die Einsilbigkeit der Begrüßungsformel zunächst vermuten lässt. Dadurch, dass beide Männer dieselbe Kurzform der Begrüßung verwenden, zeigen sie einander gegenseitigen Respekt. Der
Subtext lautet in etwa: »Ja, wir kommunizieren auf Augenhöhe, wir sind von gleichem Rang, und ich versuche nicht, dir meine Probleme aufzuhalsen oder dich mit anderen Belanglosigkeiten zu nerven. Prima, dass wir beide das schon mal geklärt
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