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Freakshow

Freakshow

Titel: Freakshow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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später.«
    Wir querten die Straße und gingen dann schnurstracks zu Laurentz’ Wohnhaus. An der Eingangstür nickte ich dem Portier und im Foyer meinen beiden Freunden von der Security freundlich zu.
    »Das Beschissene ist, dass der Wagen jetzt der Versicherung gehört«, meinte Laurentz, trat in den Aufzug, und die Kabine sackte sichtbar nach unten. »Was ich von denen kriege, ist nicht mal die Hälfte des wahren Wertes.« Zögernd ging ich hinterher, Laurentz drückte die Fünf, und nach der üblichen, unangenehmen kleinen Denkpause setzte sich der Lift dann tatsächlich in Bewegung. Aufwärts, wie ich dankbar registrierte. »Also«, fuhr Laurentz fort, »wenn Sie das Auto finden, kommen Sie damit zuerst mal zu mir.«
    »Sie wollen, dass ich nach Wladiwostok reise?«
    »Ach, Blödsinn. Das sind so Geschichten, die erzähle ich der Versicherung, damit die endlich mal Geld rausforken.«
    Die Lifttür öffnete sich, wir liefen ein paar Türen weit einen teppichbespannten Gang hinunter, Laurentz schloss eine Wohnungstür auf und ließ mir den Vortritt in eine Art riesigen, mit altem Krempel vollgestopften Basar.
    Eine Seite des Raums bestand ganz aus Fensterfront, die freien Blick auf den Hafen gewährte und dahinter auf den Rhein mit seinem unablässigen Schiffsverkehr. »Was ich nicht kapiere«, sagte ich, »wieso klaut einer so ein seltenes und auffälliges Auto? Was verspricht er sich davon? Herumfahren kann er damit jedenfalls nicht.«
    »Herumfahren?« Laurentz blickte geradezu beleidigt drein. »Herumfahren? Wir reden hier doch nicht über einen Toyota.« Und zack, büßte er gleich einen Großteil meiner frisch gewonnenen Sympathien wieder ein. »Ein Bugatti dieser Epoche, das ist ein Kunstwerk, geradezu eine Skulptur.« Er griff sich eine der zahllosen Porzellanfiguren, die sein Wohnzimmer zusammen mit den überall herumstehenden Vasen und Uhren, den liegenden und hängenden Teppichen und den unübersehbar alten und sicherlich teuren Möbeln wie einen Antik-Shop wirken ließen. Lauter Erbstücke, da war ich mir sicher.
    »So etwas erwirbt man, um es zu besitzen, um es anzubeten, um sich davon inspirieren zu lassen.« Er strich der Figur liebevoll über den nackten Hintern, bevor er sie wieder an ihren Platz zurückstellte. »Sie wissen, dass ich Filme mache?«, fragte er unvermittelt. »Aber natürlich«, antwortete ich. Wie hatte Eddy gesagt? >Was immer er mit guten Werbefilmen verdient, schmeißt er anschließend für hundsmiserable Spielfilme wieder zum Fenster hinaus.<
    »Haben Sie >Das Martyrium< gesehen?« Da war eine gefährliche Beiläufigkeit in seinem Tonfall. »Warten Sie … Nein, muss ich irgendwie verpasst haben. Trotz des einladenden Titels.«
    Er atmete tief durch und knackte nebenher den Verschluss von einer Flasche Whisky. »Auch?«, fragte er und hielt mir die offene Flasche hin. Formlos, so hab ich’s gern. Trotzdem winkte ich ab. Nicht so sehr, weil ich nicht wollte, sondern eher im Gegenteil. Nur zu gern hätte ich mir hier und jetzt einen auf die Lampe geschüttet, bis mich selige Ohnmacht zumindest für ein paar Stunden von sämtlichen Verpflichtungen entband.
    Laurentz drückte mir eine DVD in die Hand und breitete dann die Arme. So, wie der Hauptdarsteller auf dem Cover, nur dass dem keine offene Schnapsflasche von der Rechten baumelte.
    »Das Leiden Christi«, dröhnte Laurentz, »dargestellt am Schicksal eines deutschen Filmschaffenden, der aufgerieben wird zwischen der monopolistischen Produktionsbürokratie mit ihrer Fixierung auf den kommerziellen Erfolg und seinem tiefen Glauben an die Kunst als Erfüllung mit Ewigkeitsfaktor.« Dieser Satz erforderte einen weiteren tiefen Atemzug, gefolgt von einem mindestens ebenso tiefen Schluck aus der Pulle. Der Typ auf dem Cover lehnte recht lässig rücklings gegen ein Holzkreuz, das in seiner Mitte um ein altes Wagenrad ergänzt worden war. Schon wieder. Konnte das Zufall sein? Ich fragte Laurentz danach. »Nein, das ist kein Zufall«, meinte er säuerlich. »Hat auch herzlich wenig mit dem Film zu tun, dieses Foto. Die Co-Produzenten haben darauf bestanden.« Er grunzte. »Co-Produzenten«, wiederholte er verächtlich und winkte ab. »Keine Ahnung vom Film.«
    »Sie meinen …«
    »Erst hab ich versucht, die Kirche für >Das Martyrium< zu gewinnen, als Finanziers, wohlgemerkt, doch irgendwann haben die mich dann an diese Hinterwäldler in ihren kackebraunen Overalls verwiesen. Zeugen des Martyriums Christi, mein Arsch.« Beiläufig

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