Freakshow
einfache Kleidung von der Dekadenz der Mode«, erklärte mir der Neue.
»Sie meinen, Sie laufen alle so herum? Von morgens bis abends?«
»Außer unsere Berufe erfordern spezielle Arbeitskleidung.«
»Du bist der neue Nachtwächter da drüben, stimmt’s?«, wollte Gartenhacke wissen. »Gefährlicher Beruf.«
»Sofern man ihn ernst nimmt«, bestätigte ich, trotzig entschlossen, mich von diesen beiden Zottelbärten nicht einschüchtern zu lassen.
»Vor allem wenn man sich einer gerechten Bewegung in den Weg stellt.«
»So wie Ihrem Kampf gegen die Forensik?«
Beide nickten mit einigem an Gravitas.
»Was soll mir schon passieren?«, fragte ich heiter. »Ich arbeite nachts, da hockt ihr doch alle mit gefalteten Händen daheim.«
»Wir haben unsere Racheengel«, meinte der Ältere mit düsterem Blick. »Und wir haben unsere Märtyrer.« Und ein Wind fuhr in die ferne Glut.
Er war nichts als ein kleines, rundliches Männeken, doch seine Überzeugungen hatten diesen totalitären Beigeschmack, und der Gedanke, dass er nur einer aus einer ganze Horde ähnlich Befeuerter war, hatte etwas Beunruhigendes. Meiner Ansicht nach sollte man jeden unter enge Beobachtung stellen, der in drohender Manier von Racheengeln und Märtyrern faselt. Ich verabschiedete mich, stieg ins Auto, fuhr die menschenleere Straße runter bis zu einem vor einer Kapelle angelegten Wendekreis und dann zwangsläufig wieder zurück. Trotz der für meine Verhältnisse zurückhaltenden Geschwindigkeit schienen mein Auto und ich genug Wind aufzuwirbeln, um hinter so gut wie allen Fenstern der Siedlung Gardinen in Bewegung zu versetzen.
Hau rein, hatte der Ehrliche Eddy gesagt. Laurentz’ Bugatti war Teil einer kleinen, aber exklusiven Sammlung gewesen, die Hugo Laurentz von seinem Vater geerbt hatte. Einer Sammlung, von der Eddy nicht mehr viel hielt. »Nur unter uns«, hatte er mir anvertraut, »aber von den wertvollen Stücken ist nur noch der Bugatti übrig geblieben. Alle anderen Autos hat Laurentz im Lauf der Jahre Stück für Stück gegen billige Blender eingetauscht.«
Der Bugatti war aus der Werkstatt eines Aufbereiters verschwunden und musste nun, logischerweise, irgendwo sein.
Zehn Prozent, dachte ich mit dem Ingrimm des zum Erfolg Verdammten. Zehn Prozent Prämie. Selbstredend war es unwahrscheinlich, dass der Wagen seinen Weg zurück in die Sammlung gefunden hatte, gleichzeitig sind viele Leute dreist genug, auf genau dieses Denken zu bauen. Und darauf wiederum baute ich.
Düsseldorfs hochmodernes Hafenviertel mit seinen wie angesoffen umeinandertorkelnden Fassaden ist architektonisch nicht unumstritten, was den Quadratmeterpreisen allerdings nicht geschadet hat. Das Hafenviertel gilt als schick, und schick ist teuer, vor allem in der ach so modebewussten Stadt am Rhein. Die Außenhaut des Büro- und Apartmenthauses, in dem Laurentz wohnte, wirkte mit ihren gebrochen funkelnden Spiegelflächen aus Chrom, Glas und Stahl, als ob sie jemanden wie mich einfach an sich abgleiten lassen könnte.
Trotzdem war ich zum Eindringen entschlossen. Falls es die Fassade nicht schaffte, mich abzuweisen, hatte man noch einen livrierten Portier vor den Haupteingang gepflanzt, um notfalls nachzuhelfen. Warum sollte jemand, der es sich leisten kann, hier zu wohnen, zu solch krummen Touren wie Versicherungsbetrug greifen?
»Drogen, Glücksspiel?«, hatte ich den Ehrlichen Eddy gefragt.
»Nein«, hatte Eddy geantwortet. »Kunst.«
»Er sammelt?«, hatte ich gefragt. »Nein, Kristof, er macht sie.«
»Ich denke, er ist Werbefilmer?«
»Richtig. Aber Werbung ist ihm zu piefig. Hugo hält sich für einen Filmkünstler, für einen zweiten Polanski. Nur ohne den Erfolg. Und darum hat er immerzu Gläubiger an den Hacken, lauter Leute, deren Geld er gerade irgendwo in den Sand gesetzt hat. Deshalb, auch wenn ich mich wiederhole, mein Rat: Hau rein.« Mit der selbstvergessenen Miene eines Touristen drückte ich mich in der Nähe der Tiefgarageneinfahrt herum und betrachtete staunend die extravagante Gestaltung des Gebäudes, bis ein Auto einfuhr. Nur Sekunden, bevor das Falttor wieder herunterkam, hatte ich mich untendrunter durchgerollt.
Die Garage war zweigeschossig und überraschend groß. Wie ich verschiedenen Hinweisschildern entnahm, diente sie nicht nur den Hausbewohnern, sondern auch gleich noch zwei Hotels als Unterstellmöglichkeit. Laurentz’ Sammlung bestand aus insgesamt zehn Autos, die in einer Reihe im zweiten Untergeschoss parkten,
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