Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Freakshow

Freakshow

Titel: Freakshow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
flößte er sich noch ein Quantum Hochprozentigen ein. »Natürlich habe ich denen von vornherein gesagt, dass es sich um eine allegorische Interpretation handeln wird. Doch die haben nicht zugehört und wahrscheinlich gedacht, ich liefere eine Art verfilmtes Passionsspiel ab.« Er sah die Flasche an, wog den Kopf hin und her. »Eins ist sicher«, knurrte er dann, »mein nächstes Projekt finanziere ich wieder allein. Und nicht nur das: Ich schreibe das Buch, führe Regie, ich caste, schneide, alles. Nur so ist die vollständige künstlerische Kontrolle gewährt.« Abrupt ging er zu einer Bücherwand und entnahm ihr einen Band. Einen von mindestens zwanzig, alles derselbe Titel, wie es aussah. »Sickergruben«, seufzte er und betrachtete versonnen den Einband. »Ich vermute mal, Sie haben es gelesen?«
    »Nein«, gestand ich.
    »Nein?« Für einen Moment wirkte er fassungslos. »Nein?«, fragte er noch mal nach, ungläubig. »Ich freue mich stattdessen, wie wir alle vermutlich, auf die Verfilmung.«
    »Genau!« Wie das so oft der Fall ist bei Betrunkenen oder Beseelten, blies jegliche Form von Ironie an ihm vorbei wie Herbstlaub an einem Laternenpfahl. »Genau!« Er strahlte mich an wie einen neu entdeckten Seelenverwandten. »Dieses epochale poetische Meisterwerk, dieser literarische Meilenstein muss einfach verfilmt werden! Diese visionären Bilder schreien geradezu danach, endlich filmisch umgesetzt zu werden!« Für die Bilder konnte ich das nicht bestätigen, Laurentz jedoch schrie, so viel war sicher. Er geriet langsam mehr als nur ein wenig in Rage, hatte ich das Gefühl. Rotäugig, spuckeblasig, mit den raumgreifenden Gesten eines übermotivierten Laiendarstellers machte das Ganze einen ziemlich ungesunden Eindruck auf mich. Immerhin, er wog gut und gern hundertzwanzig Kilo. »Und jetzt das! Obwohl es mir das Herz zerreißt, sollte der Bugatti nächste Woche in London versteigert werden. Einzig und allein für die Realisierung dieses Films!«
    »Warum beantragen Sie nicht Filmförderung wie alle anderen auch?«
    »Filmförderung! Reichen Sie irgendeinen Schmonzes über Hitler-Deutschland ein, egal was, und man schmeißt Ihnen das Geld nur so hinterher. Aber Kunst? Pah! Soll ich Ihnen die Ablehnungen zeigen, die ich eingefahren habe? Soll ich?« Adern pochten an seinen Schläfen. Ein Wahnsinniger, der sich für ein Genie hält, hatte Eddy gesagt. Nonchalant sah ich mich nach irgendetwas zum Zuschlagen um, sollte Laurentz auf die Idee kommen, sich auf mich zu stürzen, um mich mit Gewalt zu begeistern oder gar zum Mitmachen zu bewegen. Als wolle ich die Form liebkosen, schmiegte ich meine Rechte um den Hals einer schlanken, wenn auch gewichtigen Vase. »Diese Szene, wo sie sich rasiert«, geiferte Laurentz, die Augen manisch, »wo sie sich dabei in die Hämorrhoiden schneidet, das muss auf die Leinwand, auf die große Leinwand, in HD, ach was - in 3D!« Einen Augenblick lang stellten wir uns das beide vor, mit, ich nehme es einfach mal an, durchaus divergierenden Gefühlen.
    »Klingt für mich wie ein sicherer Anwärter auf den Goldenen Bären«, sagte ich mit allem aufzubringenden Ernst.
    Laurentz nickte, nickte und nickte. »Hier«, sagte er dann unvermittelt und drückte mir das Buch in die Hand. »Lesen Sie!«, befahl er. »Es wird Ihnen die Augen öffnen.«
    »Da bin ich sicher«, sagte ich.
    »Doch machen Sie sich keine falschen Hoffnungen.« Er zwinkerte verschwörerisch und wedelte mit dem Zeigefinger vor meiner Nase herum. »Die Filmrechte, die habe ich mir gesichert.«
    Besser du als ich, dachte ich, wie so oft in solchen Situationen.
    »Und deshalb muss ich den Bugatti zurückkriegen, muss!« Er boxte sich in die Faust. »Haben Sie schon einen Idee?«, fuhr er mich an.
    Das wirkte harmlos genug und war wirklich gut vorbereitet.
    »Nun«, sagte ich zögernd, »dieser Aufbereiter, aus dessen Werkstatt der Bugatti geklaut worden ist. Wie gut kennen Sie den?«
    Er zuckte die Schultern, wog den Kopf hin und her, wusste nichts Rechtes zu sagen und nahm sich deshalb erst mal noch einen zur Brust.
    »Haben Sie Name und Adresse der Werkstatt?«
    Da klingelte es an der Tür.
    Laurentz blickte verwirrt auf die Uhr, dann leuchtete seine Miene auf.
    »Ah, mein Lustknabe«, strahlte er und ging zur Tür, drehte sich, Knauf in der Hand, noch mal zu mir um. »Ich hoffe, Sie sind nicht voreingenommen?«
    »Was, wenn doch?«
    »Ach, auch egal.« Laurentz winkte ab. »Wir Künstler sind Unverständnis gewohnt.« Er

Weitere Kostenlose Bücher