Freakshow
Fünften rein, und die vier Vergaser schnorchelten gierig durch die Nacht.
»Glaubst du denn, du kannst für dich behalten, was wir dir heute so alles anvertraut haben?«, fragte Johanna schließlich.
»Was?« Fast hätte ich das Steuer verrissen. »Was?«, wiederholte ich, nur zur Sicherheit, richtig gehört zu haben. »Es ist ja nur wegen der Zeugen«, sagte sie und biss sich auf die Unterlippe. »Wenn die erfahren, was wir so treiben, sind wir tot.«
»Dann würde ich schon mal anfangen, letzte Dinge zu regeln«, sagte ich und bog in die A59 Richtung Norden ab. »Ihr dreht Pornos und stellt sie ins Netz. Pornos, in denen ihr selber mitspielt. Früher oder später muss das jemand mitkriegen.« Sie lachte kurz auf. Ich sah sie an. »Selbst wenn, Kristof. Glaubst du, einer von denen würde zugeben, sich im Internet Pornos anzusehen?« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie verklemmt die alle sind.«
Das gelebte Gegenteil zur außer Kontrolle geratenen Triebhaftigkeit des Menschen, dachte ich, dachte an Benjamin Peelaert und hätte um ein Haar die Ausfahrt Marxloh verpasst.
»Und sobald Jacob achtzehn ist, werden wir sowieso untertauchen. Doch bis dahin …«
Sie rückte nah an mich heran.
»Ich habe die Aufgabe, dich für Gott zu gewinnen«, sagte sie leise und mit einem bezaubernden, ironischen Lächeln.
Seit sie im Auto saß, hatte ich eigentlich erwartet, dass sie versuchen würde, mich unter einem Vorwand irgendwohin zu locken, an einen einsamen, verschwiegenen Platz. Jetzt, wo sie mir so auf die Pelle rückte, hielt ich den Zeitpunkt für gekommen. Doch nein. »Du musst doch Wünsche haben«, raunte sie in mein Ohr. »Wünsche, Wunschträume, Fantasien. Lass mich Teil deiner Fantasien sein.«
Ich bog in die Wilhelmstraße ein, und mein Herz wummerte. Peelaert war in Duisburg, und ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo genau er sich momentan aufhielt, noch, was er vor und seit seiner Ankunft alles in Erfahrung gebracht hatte.
»Lass uns etwas machen, dass wir beide nicht vergessen werden«, flüsterte Johanna und strich mir über den Oberschenkel. »Etwas Wildes.«
Ich stoppte vor der Toreinfahrt. Aller Anspannung zum Trotz hatte ich eine Latte.
Johanna nahm ihre Sonnenbrille ab. »Tun wir es jetzt?«, fragte sie, und ich sah zum allerersten Mal ihre Augen. Ihre blassen, gleichförmig, geradezu eintönig blauen, irritierend ausdruckslosen Augen. Nichts, was ihre Mimik vermittelte - Amüsement, Schalkhaftigkeit, Strenge, Verlangen, Freude, Betroffenheit, Rührung - nichts davon erreichte je diese Augen. »Lass mich dich für Gott gewinnen«, hauchte sie mir heiß ins Ohr. »Ich will alles dafür tun«, keuchte sie, »alles.«
»Vielleicht ein andermal«, sagte ich und wollte aussteigen. Doch jemand schoss aus dem hinteren Fußraum hoch und schlang mir einen Arm um den Hals. Weich, adipös und trotzdem unglaublich kräftig, riss mich der Arm zurück, presste meinen Hinterkopf fest gegen die Kopfstütze und schnürte mir den Atem ab. Ich sah hoch in den Innenspiegel, und Priscillas Rindviehgesicht blickte mit einem unbegreiflichen Gleichmut zurück. Ich wand mich, mein ganzer Körper zuckte, wehrte sich, doch die Rückenlehne des Fahrersitzes federte ab, was ich an Ellenbogen einsetzte, und selbst wenn … Selbst Alfred hatte sich nicht aus dieser Umklammerung befreien können. Ich versuchte es trotzdem, und Priscilla nahm ihren zweiten Arm zu Hilfe, verdoppelte den Druck auf meine Gurgel.
Meine Finger suchten panisch den Zündschlüssel. Vielleicht, wenn ich hupte, wenn ich startete und mit Vollgas -
Doch Johanna war schneller, und die Schlüssel fielen irgendwo außerhalb meiner Reichweite. »Weißt du, was unser Vater immer sagt?«, fragte sie sanft und mädchenhaft und tastete nach dem Zipper meines Overalls. »Er sagt: >Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.<«
Und es wäre so einfach gewesen, mich für Gott gewinnen zu lassen, dachte ich reumütig. Stattdessen wurde ich von einer menschlichen Anakonda erwürgt und musste mir dabei Plattitüden anhören. Und damit nicht genug.
Mit einem glatten Rutsch zog Johanna den Reißverschluss nach unten, griff in meine Unterhose und legte meinen Schwanz frei. Dann klappte sie ein Handy auf und begann zu filmen.
Die Demütigung des Ganzen setzte letzte Energien bei mir frei. Unter Krämpfen versuchte mein Körper weiter, Luft in die Lungen zu saugen, obwohl oben schon längst nichts mehr durchkam, gar nichts. Und ganz
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