Freakshow
es von der Baustelle der Forensik nicht mal zwei Minuten Fahrt. Ich stellte den Toyota mitten auf den vorgelagerten Kundenparkplatz und zog die Leitern aus dem Kofferraum.
Mein eigentliches Ziel war die Requisite, aus mittlerweile zweierlei Gründen. Denn wenn ein Laptop auf oder unter dem Hänger am Galgenbaum versteckt gewesen war, dann war es jetzt weg. Zusammen mit dem Kreuz und dem Hänger. Und wohin wohl? Genau. Das Tor zur Schwerlastverladung war zu, das Pförtnerhaus dahinter war unbesetzt, das ganze Gelände menschenleer.
Ich lehnte eine der beiden Leitern ans Tor, kletterte hoch, ließ die andere Leiter drüben runter, stieg drauf, zog die erste hoch, kletterte runter und war drin. Leitern auf der Schulter, suchte ich mir meinen Weg im Schatten riesiger Holzkisten, bunter Containerstapel und bizarrer Formen unter Planen bis zum Zaun auf der Rückseite der als Requisite dienenden Scheune. Wenn es die Kids gewesen waren, die den Aufbereiter gewürgt und den Bugatti geklaut hatten, wahrscheinlich weil die Zeugen sich so ihr Geld von Laurentz zurückholen wollten, dann war das Auto hier drin. Übern Zaun, rein in den Schuppen, Auto finden, Moltke von der Versicherung anrufen, und scheiß auf die späte Stunde. Und dann schnurstracks zu Spirititolu, und scheiß drauf erst recht. So war der Plan. Ich kam bis >Übern Zaun<.
Und stoppte. Weil sich ein Motorroller näherte, unüberhörbar sein Plärren. Doch nur einer. Ich packte mein Brecheisen und spähte um die Ecke der Scheune. Da kam ein Motorroller, unübersehbar sein Scheinwerferlicht. Und im Scheinwerferlicht ein geduckter Schatten, schwarz, mager, vierbeinig und ohne Ohren. Ich denke mal, ich hätte die Leiter nicht gebraucht. Ich flog nur so über den Zaun. Drüben duckte ich mich hinter die nächste Holzkiste, während der Hund wie besessen am Maschendraht herumsprang. Was nun? Wer Nerven hat, wartet einfach ab und versucht es dann erneut. Ein Surren in meiner Hosentasche ersparte es mir, die Stärke meines Nervenkostüms auf die Probe zu stellen.
Es war Heckenpennes, der inzwischen das Geld aufgetrieben hatte.
So läuft halt immer was, dachte ich in erzwungener Fröhlichkeit, hastete zurück, mit nur einer Leiter, weil die andere der bekloppte Hund umgeschmissen hatte, kletterte übers Tor, versteckte die Leiter hinter einem Firmenschild, schwang mich ins Auto und zuckte zusammen.
Auf dem Beifahrersitz hockte Johanna. Sie trug Basketballschuhe aus weißem Leinen, einen kurzen, apricotfarbenen Rock und dazu ein ärmelloses weißes Top, das an ihr saß wie mit der Sprühdose aufgetragen. Und, mitten in der Nacht, wie immer, ihre Sonnenbrille. »Du musst mir helfen«, sagte sie.
Ich startete. »Wobei?«, fragte ich, ließ die Reifen jaulen und die vier Vergaser ihre Suppe schlürfen. Es galt, keine Zeit zu verlieren, eine Prämisse, die aus mir am Steuer immer schon das Maximale herausgeholt hat. Alle vier Scheinwerfer aufgeblendet, ging es von der B 8 sturheil der Beschilderung Richtung Mülheim hinterher.
»Wir, das heißt Jacob und ich, sollen dich für Gott gewinnen«, sagte Johanna und senkte den Kopf in gemimter Demut.
»Bisschen spät«, murrte ich und bremste an einer roten Ampel leicht ab.
»Gib mir eine Chance«, raunte sie und strich einen Finger sachte über meinen Arm.
»Warum, verdammt noch mal, habt ihr Alfred an dieses Kreuz gebunden und den verfluchten Krähen ausgesetzt? Hattet ihr ihn vorher nicht schon genug gequält?«
»Oh, das war Priscilla. Sie nennt es Aggressionen abbauen!«
»Ach, komm, hör auf. Du und Jacob, ihr habt Alfred bei seiner Logopädin weggelockt. Was habt ihr ihm versprochen?«
»Ich brauche ihm nichts zu versprechen«, sagte Johanna mit einem Lächeln voller Selbstverzückung. »Er macht alles, was ich ihm sage.«
»Dann erzähl mir, wofür ihr das gemacht habt.«
»Naja. Es war ein Warnschuss. Alfred sollte der Logopädin nichts erzählen.«
»Wovon?« Eine Gerade über flaches Lintorfer Ackerland gab mir Gelegenheit für einen längeren, fragenden Seitenblick. Trotz ausgedrehtem Fünftem. Mag sein, Johanna schlug die Augen nieder, zu sehen war es jedenfalls nicht hinter den getönten Gläsern. Auf alle Fälle senkte sie das Kinn und spitzte die Lippen. »Kristof, wir haben den Auftrag, die Forensik zu stoppen. Wenn wir das nicht schaffen, machen sie uns fertig. Du kannst dir nicht vorstellen, was die für einen Druck ausüben. Und da bedient man sich schon mal grenzwertiger Methoden.«
Lintorf
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