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Freakshow

Freakshow

Titel: Freakshow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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werdenden Schatten vor mich auf den Asphalt, schon zog der Scooter mit mir gleichauf, ich erkannte Priscillas klobige Gestalt, und etwas peitschte mir über den rechten Arm, knapp unterhalb des Schultergelenks. Ich duckte mich unter einem weiteren Hieb hindurch, warf mich zur Seite, rollte mich ab, sprang wieder auf die Füße und rannte weiter, fasste mir an den Arm, fasste in einen Schnitt, und als ich meine Hand wieder löste, war sie schwarz vor Blut. Priscilla wendete und setzte mir mit Vollgas nach, ihr Scheinwerfer geradezu heiß in meinem Rücken. Dann verschwand urplötzlich der Asphalt vor mir, und um ein Haar wäre ich von der Kaimauer in den verfluchten Rhein gestürzt.
    Keuchend drehte ich mich um. Da kam schon der Roller herangerast, in seinem Licht der Hund, und die dunklen Wogen schlugen über mir zusammen. Mein rechter Arm war nutzlos, kraftlos, taub, er hing an mir wie ein Gewicht, wie ein Anker. Bis ich mich auch ohne seine Hilfe wieder an die Oberfläche gekämpft hatte, war ich von der Strömung schon fünfzig Meter mitgezogen worden, schon vorbei am Begrenzungszaun des Werksgeländes. Gut so. Priscilla sah mich auftauchen, wendete ihren Roller und jagte davon. Da meine Reiserichtung feststand, war zu erwarten, dass sie und die Zeugen mich irgendwo stromabwärts abpassen würden. Deshalb musste ich raus aus diesem Fluss, am besten noch bevor ich aus schierer Erschöpfung ersoff, wenn ich nicht verblutete. Der Rhein folgte einem Rechtsbogen, mit entsprechender Zentrifugalkraft, was die Annäherung ans Ufer praktisch unmöglich machte, also zwang ich mich zur Ruhe und trat Wasser, schonte meine Kräfte, wartete, dass der Flusslauf sich begradigte.
    Nach der ganzen gerade erst ausgestandenen Hektik war es hier im Fluss regelrecht friedlich, zumindest solange ich mich über Wasser halten konnte und bis ich, sanft herumgedreht von einer Laune der Strömung, mitten im silbrig auf den Wellen tanzenden Mondlicht den ohrenlosen Horrorschädel entdeckte, Zähne gebleckt, Augen starr auf mich gerichtet, winselnd vor Anstrengung, mich endlich zu packen zu kriegen. Ich musste schwimmen, doch wohin? Ans Ufer? Steinerne Buhnen und dahinter Wiesen, da konnte ich mich dem Vieh auch gleich hier und jetzt ausliefern. Schieres Adrenalin schaffte es, etwas Leben in meinen tauben Arm zurückzujagen, doch aller Bemühungen zum Trotz konnte ich das übereifrige Winseln in meinem Genick näherkommen hören. Rechter Hand tauchte Duisburg-Ruhrort auf, Häuser, Lichter, Verkehr, die Rheinbrücke, Menschen. Menschen auf der Rheinbrücke. Drei Menschen. Zwei davon schmal, ihr blondes, fast weißes Haar in strengem Kontrast zu ihren dunklen Overalls, der dritte kahlgeschoren, kräftig, mit einem großen runden Gegenstand vor der Brust, abgestützt auf das Brückengeländer. Und nein, es war kein Rettungsring. Gar kein Ring. Es war eine Scheibe. Groß, dabei flach, dunkel, gusseisern. Ein Gullydeckel. Und Priscilla hielt ihn exakt über die Stelle, an der ich jetzt jeden Augenblick unter der Brücke hindurchgeschwemmt werden musste. Wider besseres Wissen versuchte ich zurückzuschwimmen, gegen die Strömung, da kratzten mir die Krallen des Hundes die Schultern auf, ich sah seine Zähne und tauchte unter.
    Tiefe war die einzige Richtung, die mir noch blieb. Wenn ich es tauchend bis auf die andere Seite der Brücke schaffte …
    Direkt über mir zerriss eine Explosion die Wasseroberfläche, und etwas schlug mit Wucht auf meine linke Schulter, wirbelte mich herum. Unterwasser kann man nicht schreien, auch wenn der Schmerz noch so groß ist, also tauchte ich auf und schrie dann. Meine ganze linke Körperhälfte war nach dem Treffer betäubt, regelrecht gelähmt, mein rechter Arm immer noch so gut wie nutzlos, und mit einem Blick nach vorn realisierte ich langsam, staunend wie ein Kind, dass die christbaumähnliche Lampenanordnung, auf die ich unter sanfter, aber unnachgiebiger Leitung von Vater Rhein zuhielt, vorn auf einem Schubschiff saß, dem ich ohne die Hilfe meiner Arme niemals würde ausweichen können.
    Dafür, das muss auch mal erwähnt werden, war der verdammte Hund weg, nirgendwo mehr zu sehen, wahrscheinlich zusammen mit dem Gullydeckel auf geradem Weg zur Hölle.
    Und während nun Wetten angenommen werden durften, welches meiner durch die Schiffsschraube zerhackten Leichenteile es wohl bis in die Nordsee schaffen würde, erschien völlig überraschend eine Mumie an meiner Seite, packte mich am Handgelenk und zerrte

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