Freakshow
ist zurück.«
Und ich sprang auf die Füße.
Besitzt Marxloh schon bei Tag eine nicht von der Hand zu weisende Düsternis, wird es nicht besser, wenn erst mal die spärlichen Laternen glimmen. Ich parkte vor der Toreinfahrt. Mein Herz hämmerte, und zwar ausgesprochen gleichmäßig, Herr Doktor. Nach einem kurzen Rundumblick - ich war allein, die Straße verlassen - griff ich mir die Schrotflinte und stieg aus.
Der Vorteil einer Flinte ohne Munition ist der, dass sie einen nicht in die Verlegenheit bringen kann, tatsächlich jemanden damit über den Haufen zu schießen. Der Nachteil ist, dass es sie in der Welt der Waffen auf ein Stück Rohr mit Holzgriff reduziert. Doch wenn sie es schaffen sollte, mir meine Nase am angestammten Platz zu halten, dann war ihre Mitnahme nicht umsonst gewesen.
Der Türke saß in seinem Büro im Hinterzimmer der Heißmangel und telefonierte. Ich schlich mich vorbei, holte mir erst mal mein Brecheisen wieder, das immer noch am Fuß der Kellertreppe lag. Dann betrat ich den von einem einzigen Lichtmast mehr als dürftig beleuchteten Garagenhof und querte ihn langen Schrittes, umrundete den ersten Block und versuchte mein Glück auf der Rückseite, zog entschlossen das erste Tor auf, hinter dem ein Lichtschein wahrzunehmen war. Ein Dutzend aufgerissene Augen starrte mir entgegen. Vater mit Turban, Mutter mit Kopftuch, Großmutter blass und ächzend hingestreckt auf einer Koje, Kinder wie die Orgelpfeifen, geschart um einen qualmenden Dieselofen mit einem großen, blubbernden Topf obendrauf. Dritte Welt, mitten in der Ersten, nur eine Schrittspanne vor mir. >Vorsicht beim Laufenlassen der Motoren, Vergiftungsgefahr< stand schwarz auf gelb auf einem Blechschild an der Wand.
»Ich suche Yoginda Khan«, sagte ich, während alle Blicke von der Flinte in meiner Rechten angesogen wurden, wie man es sonst nur von laufenden Fernsehern kennt. Niemand antwortete, also versuchte ich es in Englisch, mit demselben Resultat.
»Yoginda ist umgezogen«, sagte eine Stimme hinter mir, und ich fuhr herum, Waffe im Anschlag. Seltsam, wie automatisch man das macht. Dann noch ein nervöser Abzugsfinger, und eh du dich versiehst, hast du einen da liegen.
»Du redest zu viel«, sagte der Türke zu mir und spuckte Vogelfutterhülsen in die Gegend. »Luxemburger Polizei!« Er grunzte. Seine Hände waren frei, doch eine Beule unter seiner Anzugjacke zeigte deutlich, wo sein Schulterholster saß. »Ich brauchte mich nur umzuhören, wen genau die Luxemburger eigentlich suchen, und siehe da: Eines der Schäfchen arbeitet für mich.«
»Und jetzt?«, fragte ich, machte einen Schritt zur Seite, und der beturbante Vater hatte es eilig, das Garagentor wieder zuzuziehen. »Jetzt wird es teuer für dich.«
Er ging gemächlichen Schrittes zurück in Richtung seines Büros, und mir blieb nichts, als hinter ihm her zu trotten.
»Wie teuer?«, fragte ich.
»Wie viel hast du?« Seine kleinen Augen funkelten ach so gewitzt.
»Im Moment? Einen Euro sechzig, ungefähr.« Seine Lider sackten auf Halbmast.
»Aber ich könnte zehntausend auftreiben.«
»Zwanzig«, sagte er und erklomm die drei Stufen, hoch zu seinem Büro.
»Okay«, stimmte ich zu. »Doch zuerst muss ich den Jungen sehen.«
Er schüttelte einfach nur den Kopf, sah noch nicht mal zurück.
Irgendjemand rangierte Müllcontainer in der Passage, schubste ein paar davon rappelnd auf den Hof. Von der Straße drang das Geräusch eines Sechszylinders mit übertrieben hoher Leerlaufeinstellung nach hinten zu uns.
»Dann würde ich gut auf Yoginda aufpassen. Ich weiß zufällig, dass noch jemand anders hinter dem Jungen her ist. Jemand, der über Leichen geht.«
»Ja, ja«, meinte er herablassend und schloss die Tür hinter sich. Das Dreier-Cabrio mit den Türken-Gangstas kam auf den Hof gebrummt und stoppte. Alle vier Insassen starrten mich an. Ich schulterte die Schrot und ging.
»Ach du bist’s«, sagte Scuzzi und ließ den Strahl seiner Stablampe über mein Gesicht tanzen. Ich hatte mich auf die Baustelle der Forensik geschlichen, und wer überraschte mich dabei? Der amtierende Wachmann. »Aber du bringst die Sachen doch zurück?«, fragte er. »Sicher«, sagte ich, packte die beiden Aluleitern und machte mich auf die Socken.
Heckenpennes war durchaus bereit, die zwanzigtausend für Yoginda zu besorgen, brauchte dafür aber eine Weile. Eine Weile, die ich zu nutzen dachte. Bis zum Gelände der Duisburger Schwerlastverladung im Hafengebiet waren
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