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Freakshow

Freakshow

Titel: Freakshow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Abwesenheit die Katze fütt… Nein, du musst sie töten. Umbringen, abkehlen. Wie, ist mir egal. Versprich es, und hier sind die Schlüssel …« Da klopfte es an der Tür.
    Es war der Gerichtsvollzieher, es war der Hausverwalter, es waren zwei uniformierte und ausgesprochen muffig dreinblickende Polizeibeamte. Durchsetzung der Räumungsklage, hieß es. Wegen Mietrückständen, hieß es. Augenblicklich, hieß es. Scuzzi und die Katze sahen mich an. »Ach du Scheiße«, sagte ich.
     
    »Nachtwächter«, sagte Scuzzi trocken. »Herzlichen Glückwunsch.«
    »Objektschützer«, korrigierte ich ihn und legte den Vierten ein. Auf dem Rücksitz quäkte die Katze in ihrem Transportkorb. »Jacke wie Hose.«
    »Pierfrancesco, mein Junge, du hast es im Laufe deiner Karriere vom notorischen Kleindealer zum wortwörtlich abgebrannten Kleindealer gebracht, also verschone mich bitte mit deiner Kritik an meinem beruflichen Werdegang.«
    »Trotzdem, ein Idiotenjob.«
    »Du vor allem solltest froh sein, dass ich ihn angenommen habe.« Der Job als Wachmann kam komplett mit Dienstwohnung auf dem Gelände der Stiftung. Deshalb hatte ich unterschrieben, auch ohne Vorschuss. »Kristof, warum gehst du nicht wie jeder andere zum Sozialamt, wenn du dermaßen pleite bist?«
    »Tja.«
     
    Die Elenor-Nathmann-Stiftung lag in Sichtweite sowohl der Bundesstraße 8 wie des Rheins, eingebettet in hauptsächlich landwirtschaftliche Nutzflächen. Ein Trecker zog in direkter Nachbarschaft einen Tankanhänger hinter sich her, der das versprühte, was der Städter für gewöhnlich als >Landluft< versteht. Mitten auf dem Acker reckte sich ein hoher, schon lange abgestorbener Baum in den Himmel wie ein Totem. Schwarze Vögel umflatterten ihn krächzend, hockten auf seinen Ästen und schissen ihm einen weißlichen Anstrich auf den nackten Stamm. Rastlose Kräne und das buntgewürfelte Aufeinander von Überseecontainern erinnerten daran, dass der Duisburger Hafen nur einen Gewehrschuss entfernt war.
    Das Village bestand aus lauter eingeschossigen Bauten, was Sinn macht, wenn man eine Menge Bewohner in Rollstühlen oder an Gehhilfen unterzubringen hat, und war ringförmig angelegt, was schlau ist, wenn die Beweglicheren unter den Bewohnern gewisse Schwierigkeiten mit der Orientierung an den Tag legen. So aber konnten sie spazieren, so lange und so weit sie wollten, irgendwann kamen sie immer wieder bei sich zu Hause vorbei. Individuelle Farbgestaltung der Fassaden und riesige, aufgemalte Hausnummern sollten dabei helfen, das auch zu realisieren.
    Die Außenwände meines Apartments waren in zartem Grün gehalten und mit einer >2< nummeriert, prägte ich mir ein. Ein kleiner Vorgarten mit einem schattenspendenden Kirschbaum gehörte dazu. Drinnen war alles ganz zweckmäßige Schlichtheit, verteilt auf … 28 Quadratmeter. Mal wieder.
    Ich hob den Katzenkorb aus dem Wagen und ließ das Miststück auf der Stelle frei, in der Hoffnung, sie möge sich bei irgendjemand anderem einschleimen oder auf der nahen B 8 überfahren werden oder sonst wie abhanden kommen.
    Scuzzi machte es sich in einem Gartenstuhl bequem und wirkte, als erhoffe er sich irgendeine Form von Bedienung. Die Katze lief schnurstracks ins Apartment und äußerte in hohen, mauligen Tönen eine ähnliche Erwartungshaltung.
    28 Quadratmeter, dachte ich. Zusammen mit den beiden. >DUISBURGER BRATPFANNEN-MÖRDER LACHT BEI SEINER VEHAFTUNG< erschien vor meinem geistigen Auge. Mühsam löste ich meine wie um den Griff einer Gusseisernen verkrampften Hände und ließ, im Bedürfnis nach Ablenkung, den Blick schweifen. Ringsherum tobte der Alltag der Stiftung. Alte wurden in ihren Rollstühlen oder Betten zum Lüften raus in den Schatten geschoben oder schusselten, zusammen mit Psychiatrie-Patienten jeden Alters mal mehr, mal weniger wichtig in der Sonne herum. Selbstgespräche schienen allgemein zum guten Ton zu gehören.
    Ein Pärchen, das der Sommerhitze in dicken Lammfellwesten trotzte, wie man sie zuletzt an Sonny & Cher gesehen hat, stand Hand in Hand und bestaunte sprachlos eine Gartenbank.
    Weißhaarige mit rotunterlaufenen Augen steuerten ihre Elektrorollstühle in der klaren Absicht zu töten halsbrecherisch über die Ringstraße. Ein vor Glückseligkeit schier berstender Typ wackelte auf unterschiedlich langen Beinen vorbei und winkte allem und jedem zu. Scuzzi winkte zurück. Inmitten all dieser pharmazeutischen Abgedröhntheit begann er sich sehr rasch wie zu Hause zu fühlen. So halb und

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