Freche Mädchen... 08: Rosen, Chaos, Hochzeitsparty
Fensterbank. »Zum Verpacken bin ich leider nicht gekommen. Bestimmt kannst du das übernehmen.«
»Ja, ja, mache ich!«, rufe ich ihr nach, aber da ist sie auch schon verschwunden und nur noch der Duft ihres Maiglöckchenparfüms hängt in der Luft.
Ich lasse die Wolldecke auf den Boden sinken. »Ph! Sag mal, was soll dieser schwachsinnige Spruch mit Glück und Glas? … Na ja, jedenfalls ist mir so was von heiß geworden unter der Decke.«
Jannis lacht, doch es klingt nicht sehr vergnügt. »Mir auch, das kannst du dir vorstellen. Aber ehrlich: Was wäre passiert, wenn sie das Brautkleid entdeckt hätte?«
»Hat sie aber nicht!«, entgegne ich. »Ich finde, wir sollten kein Problem aus ungelegten Eiern machen. Apropos Eier! Was ist mit unserem Festessen? Wolltest du nicht Pfannkuchen backen?«
Jannis schaut so unschlüssig, dass ich schließlich sage: »Wir können es auch sein lassen. Eigentlich habe ich sowieso keinen Hunger mehr. Und was ist mit dir?«
Statt einer Antwort sieht er auf seine Uhr und meint: »Ich glaube, ich sollte so langsam gehen. Dann kriege ich nämlich noch meinen Bus. Sonst muss ich eine halbe Ewigkeit auf den nächsten warten.«
So habe ich mir diesen Nachmittag nicht vorgestellt und wahrscheinlich mache ich ein sehr enttäuschtes Gesicht, denn Jannis nimmt mich jetzt lieb in den Arm und sagt: »Ehrlich, du siehst so toll aus. Wie eine richtige Braut. Aber ich muss los, sei nicht traurig. Wir sehen uns ja morgen in der Schule«, fügt er hinzu und schnappt sich seinen Rucksack.
Ich stehe in der Tür und winke ihm lange nach. Erst als ich Stimmen auf der Straße höre, verschwinde ich schnell im Haus. Zuerst will ich sofort nach oben rennen, um mich umzuziehen, aber dann bleibe ich doch in der Diele stehen. Durch das Fenster fällt rotgoldenes Sonnenlicht und ich fühle mich wieder wie in einem wunderschönen Traum, als ich mich ein allerletztes Mal vor dem Spiegel drehe.
Da fällt mir plötzlich Lorraines Bild ein, das immer noch auf der Fensterbank in der Küche liegt. Ich sei dafür verantwortlich, hatte unsere Nachbarin gemeint, und das bedeutet ja wohl, dass ich es bis zur Hochzeit irgendwo verstecken muss. Am besten wäre natürlich der Keller geeignet, aber weil ich keine Lust habe, nach unten zu gehen (Natascha hat letzte Woche behauptet, dort würde eine riesige Spinne sitzen), beschließe ich, das Bild erst einmal in meinem Zimmer verschwinden zu lassen.
An Farbe hat Lorraine bei ihrem Geschenk jedenfalls nicht gespart, denke ich, als ich es von der Fensterbank nehme. Jede Menge dicker roter und gelber Farbkleckse unterschiedlicher Größe verschwimmen auf hellblauem Hintergrund … Keine Ahnung, was das alles darstellen soll. Hauptsache, Papa und Natascha gefällt es. Ich greife nach einem Bogen Zeitungspapier und wickle das Bild erst einmal damit ein.
Lorraines Geschenk unter dem Arm, renne ich die Treppe hoch. Und bleibe an der vielarmigen Figur hängen, die seit Ewigkeiten auf dem Treppenabsatz steht. (Auch ein Geschenk von Lorraine, aber aus der Zeit, als sie noch hoffte, sie könne sich Papa angeln. Doch damit ist es jetzt absolut vorbei!) Das grauenvolle Ding hat sich in Bewegung gesetzt und kugelt mit lautem Scheppern die Treppe hinunter … Uff! Wichtig ist nur: Dem Kleid ist nichts passiert.
Vorsichtig ziehe ich es aus und hänge es zurück auf den Holzbügel mit der Aufschrift Brautmoden Wrieth – alles für die gelungene Hochzeit . Natascha wird nie im Leben merken, dass ich das Kleid auch nur angefasst habe. Ich will gerade die Schranktür schließen, da fällt mein Blick auf den Ausschnitt …
Ein Fleck! Ein klitzekleiner roter Fleck!
Mir wird siedend heiß. Liegt vielleicht daran, weil ich in Panik ins Wohnzimmer renne, die schwere Stehlampe hochschleppe, um wirklich optimales Licht zu haben. Was ich aber besser nicht gemacht hätte! Denn die scheinwerferartige Beleuchtung macht alles nur noch schlimmer. Eindeutig: Am Ausschnitt ist ein Fleck, klein zwar, aber nicht zu übersehen. Und je mehr ich daraufstarre, um so größer scheint er zu werden.
»Grandios, einfach grandios«, murmle ich. Dabei war vorhin meine Welt total in Ordnung! Wie hatte Lorraine in der Küche gesagt? Glück und Glas, wie leicht bricht das. Trotz der Sommerhitze spüre ich jetzt einen plötzlichen Kälteschauer. Dann reiße ich mich zusammen; ich bin mir sicher, auch diese Situation in den Griff zu bekommen.
Wie recht Lorraine mit ihrem Sprichwort hat, ahne ich in diesem
Weitere Kostenlose Bücher