Freche Mädchen... 10: Headline mit Herz
miteinander teilen mussten. Aber wenn ich mich für eine der drei entscheiden müsste, wäre das immer Lotta. Wir beide sind ein Dreamteam, genau wie Amelie und Jenny.
Was uns alle vier miteinander verbindet, ist, dass wir uns über dieselben Gags wegschmeißen können. Es hat schon Freistunden gegeben, in denen wir kein Wort mehr gewechselt haben vor lauter Giggeln. Das sind die schönsten Stunden.
Was uns trennt, sind unsere Vorstellungen von gelungener Freizeitgestaltung. Keine der drei interessiert sich fürs Schreiben. Im Gegenteil. Jenny hasst Aufsätze und Amelie hat quasi noch nie in ihrem Leben ein Buch freiwillig durchgeblättert.
Lotta lässt sich zumindest immer auf den neuesten Stand in Bezug auf die Insight bringen.
Was uns außerdem unterscheidet, sind unsere Ansichten darüber, welchen Stellenwert Jungs in unserem Leben haben.
Bei Lotta und mir rangieren sie auf den unteren Rängen zwischen Zahnfleischbluten und Virenalarm.
Bei Jenny und Amelie besetzen die Themen Jungs und Liebe die Topplätze auf der nach unten und oben offenen Skala: »Was ist wirklich wichtig im Leben?« Sie könnten von morgens bis abends über nichts anderes quatschen, als darüber, wer gerade mit wem geht und wer mit wem auf der letzten Party geknutscht hat. Sie hatten auch beide schon Freunde, aber die haben sie jeweils nach spätestens zwei Wochen »abgeschossen«.
Lotta und mich kümmert das alles so viel wie ein Sack Reis.
»Lottaaaaa?« Jenny macht kugelrunde Augen, während sie Lotta bittend anschaut und ihren Namen in die Länge zieht. Sie streckt die Hand aus und legt den Kopf schief.
Lotta versteht. Sie bückt sich zu ihrem Rucksack und zieht das Matheheft hervor, das sie Jenny auf die offene Hand klatscht. Für Geschichte sollten wir uns nur einen Quellentext durchlesen, aber in Mathe gab es übelst viele Aufgaben.
Jenny strahlt, wie nie ein Mensch zuvor gestrahlt hat. »Du bist ein Schatz!«
Jenny ist ohne Diskussion die Attraktivste von uns. Ihre glänzenden blonden Haare sind gerade und millimetergenau auf Schulterhöhe geschnitten. Sie trägt sie mit Seitenscheitel. Manchmal frage ich mich, wie sie es ohne Spangen oder Haarbänder schafft, dass die Haare von morgens bis mittags wie festzementiert liegen. Sie umrahmen ihr gebräuntes Gesicht mit den grauen Augen und dem hübsch geschwungenen Mund. Jenny macht in jeder Lebenslage eine fantastische Figur. Im Unterricht gibt es Lehrer, die sie eindeutig bevorzugen, weil sie jetzt schon aussieht wie eine Studentin, und am Rand des Sportplatzes ist sie die Chefin der Cheerleading-Gruppe »Pink Angels«, mit denen sie auch schon Wettbewerbe gewonnen hat. Nur beim Cheerleading hat sie die Haare zu einem Zopf wie ein Rasierpinsel zusammengefasst. Ich habe noch nie erlebt, dass sich daraus selbst bei gewagten Stunts ein Härchen gelöst hätte.
Jenny hat eine beneidenswerte Disziplin. Jedenfalls außerhalb der Schule. Und sie hat eine scharfe Zunge, die jeder zu spüren bekommt, der sich mit ihr anlegt. Auf ihre gemeinen Lästereien, die gern auch unter die Gürtellinie gehen, könnte ich allerdings verzichten. Genau wie auf ihre Marotte, Menschen mitunter auszunutzen. Wie jetzt Lotta, die ihr ohne Widerstand die Mathe-Hausaufgaben zum Abschreiben überreicht.
Jenny öffnet das Heft und schlägt die Seite auf, auf der die säuberlichen Zahlenreihen unter dem heutigen Datum stehen, und beginnt, die Rechnungen in ihren Collegeblock zu übertragen.
Amelie quetscht sich dicht neben sie, schiebt den Hut aus der Stirn und öffnet einen Filzstift, indem sie die Kappe mit den Zähnen abnimmt und im Mund behält. Amelie hat einen Hüte-Tick und ich frage mich echt, wo sie die abgefahrenen Teile immer auftreibt. Fast jede Woche führt sie uns ein neues Modell vor. Diesmal ist es ein silberfarbener Dandy-Hut mit Krempe und Knick, der locker auf ihren wuscheligen rotbraunen Haaren sitzt. Sie sehen aus wie Herbstlaub, durch das ein Sturm gefahren ist.
Hüte sind das Einzige, was Amelie nicht eigenhändig macht. Ihr komplettes Outfit besteht aus selbst entworfenen und geschneiderten Teilen. Sie hat dabei ein Faible für wilde Mustermixe und knallige Farben. Kein Ding für sie, dass sie deswegen an unserer Schule auffällt wie ein Zebra auf dem Ponyhof. Ihr eigenartiger Geschmack könnte auch mit ihrer Vorliebe für Rollenspiele zusammenhängen. Amelie spielt nicht nur am PC in mittelalterlichen Welten, sondern geht auch an manchen Wochenenden mit Schwert und Zaubertrank in
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