Freche Mädchen... 10: Headline mit Herz
klarmacht, dass dies das Letzte wäre, worauf sie gerade Bock hat: mir in meinem Chaos beim Suchen zu helfen.
Da! Endlich fische ich den Flyer zwischen dem Geschichtsreferat und der Einladung zum Elternabend hervor.
Die Locken an meiner Stirn sind nun ein bisschen verschwitzt und bewegen sich keinen Millimeter, als ich sie mit vorgeschobener Unterlippe wegpusten will. Mir ist es heiß geworden. »Ich dachte, dass ihr längst Bescheid wüsstet.«
Jenny unterbricht das Abschreiben und zupft mir das Blatt aus der Hand. Ihre Augen bewegen sich von links nach rechts, während sie liest. Schließlich klappt ihr Mund auf und sie kreischt los. »Wow! Der Wahnsinn! Da habt ihr endlich mal ein Hammer-Thema!«
»Zeig mal!« Amelie spuckt die Stiftkappe in ihre Handfläche, reißt Jenny den Flyer aus den Fingern und überfliegt die Zeilen.
»Wir?«, gebe ich zurück. »Brauchst du vielleicht eine gelbe Armbinde mit drei schwarzen Punkten? Das ist keine Aktion der Insight !«
Jenny stiert erst mich an, dann beugt sie sich zur Seite, um bei Amelie noch einmal mitzulesen. » No Limits . Was ist das denn?«
Ich presse die Lippen aufeinander. »Das wird ab der nächsten Ausgabe unser Konkurrenzblatt. Ich kann gerade gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte.«
Amelie hat wieder begonnen, Lottas Rechenaufgabe ins eigene Heft zu übertragen. Eine Freistunde ist schnell vorbei, und sie kann es sich nicht leisten, mit unvollständigen Hausaufgaben bei Loddar aufzulaufen. Im letzten Jahr ist sie nur mit Ach und Krach versetzt worden. Da will sie nicht gleich einen Fehlstart hinlegen, obwohl das Abpinnen der Hausaufgaben meiner Meinung nach ein etwas unglücklicher Anfang ist. Aber nun gut. Was geht es mich an? Ich habe im Augenblick wirklich andere Sorgen.
Lotta merkt natürlich, wie aufgebracht ich bin, obwohl man dafür noch nicht mal so extrafeine Antennen braucht. Ich kann meine Beine kaum stillhalten, sie wippen hin und her, und ich muss mich zusammenreißen, um nicht den zweiten Kuli an diesem Tag in seine Bestandteile zu zerlegen.
Fürsorglich langt Lotta über mich und greift nach der halben Tafel Nussschokolade. Sie schält sie aus dem silbernen Papier, bricht sie in Stückchen und schiebt mir, als wäre sie meine Pflegerin, gleich eins in den Mund, bevor sie den Rest auf den Tisch legt.
Ich sterbe für Nussschokolade. Echt jetzt. Ich könnte mich wochenlang ausschließlich davon ernähren, aber das tue ich natürlich nicht. Ich versuche mich täglich auf eine halbe Tafel zu beschränken, aber die soll dann bitte auch meine sein! Dass Lotta, voll die Gastgeberin, die Stückchen für alle auf den Tisch legt, macht mich gerade wieder doppelt kribbelig. Von Jenny droht keine Gefahr. Schokolade passt nicht zu ihrem 1500-Kalorien-Plan, und Lotta selbst hat eine üble Nussallergie. Nur Amelie bringt sich in Lauerposition. Sie leckt sich über die Lippen, bevor sie sich ein Stückchen herausklaubt. Ob das Stück ohne Umwege auf ihren Hüften landet, ist ihr egal. Kein Wunder, nimmt sie eben fünf Zentimeter mehr Stoff beim Schneidern. Oder Stretch.
Na ja, ich hab’s auch nicht so mit Diäten. Ich esse zwar für mein Leben gern Schokolade, aber dafür fällt auch schon mal das Mittagessen aus. Außerdem habe ich das Gefühl, dass mein Stoffwechsel ständig auf Hochtouren läuft und so viele Kalorien verbrennt wie bei einer Marathon-Läuferin. Möglich, dass ich wegen Unterversorgung tot umfallen würde, wenn ich auch nur einen Tag auf meine Schoko verzichten müsste.
Deswegen schiebe ich mir die übrigen Stücke ein bisschen näher heran, sodass Amelie sich langmachen müsste, sollte sie es wagen, noch einmal zuzugreifen.
»Das ist heftig«, sagt Lotta nun, während sich Jenny und Amelie wieder komplett den Mathe-Aufgaben widmen und im Rekordtempo kritzeln. »Nicht nur, dass die vom Gymi die Frechheit haben, ihre Zeitung bei uns zu bewerben und auszulegen. Sie versuchen auch noch, alle auf ihre Seite zu ziehen, indem sie sich voll in den Trend hängen und einen Contest anbieten, wie man ihn sonst nur aus der Glotze kennt.«
Ich nicke, während Lotta spricht, und kann wieder einmal nur staunen, wie schnell sie den Kern des Problems erfasst hat.
»Das ist das Ding«, sage ich. »Ich habe das Gefühl, ich laufe gegen Betonwände, wenn ich auf Missstände hinweise wie den unbeleuchteten Fahrradkeller oder den Rausschmiss der Referendarin im letzten Jahr. DAS sind Themen, die uns hier was angehen. Herauszufinden, wer
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