Freche Mädchen... 10: Headline mit Herz
den bergischen Wäldern rings um Köln auf ihre nicht weniger bekloppten Gegner los.
Aber ich will nicht lästern. Jedem so, wie es ihm gefällt. Am Ende finde ich persönlich vor allem entscheidend, dass man überhaupt eine Sache hat, die man mit Leidenschaft betreibt, und nicht wie ein Schluck Wasser herumhängt.
Und Leidenschaften haben wir alle vier: Lotta will nichts als gute Noten, Jenny verbringt ihre komplette Freizeit mit den Cheerleadern, Amelie geht in ihren Rollenspielen auf und mein Herz hängt am Schreiben. Passt!
»Wie würden wir nur ohne dich überleben, Lotta«, murmelt Amelie undeutlich mit der Kappe zwischen den Zähnen, während ihre Nasenspitze fast die karierten Seiten berührt.
»Tja, vielleicht selbst mal kapieren, wie es funktioniert?«, gibt Lotta zurück, aber sie lächelt dabei voll lieb. Lotta sagt nie wirklich gemeine Dinge, schon gar nicht zu Jenny und Amelie. »Nächste Woche schreiben wir die Arbeit und ihr wisst, dass es unmöglich ist, zu schummeln, wenn der Loddar Aufsicht hat.«
Loddar heißt eigentlich Lothar Gerstenberg und ist unser gnadenloser Mathelehrer.
Jenny winkt ab. »Ach, ich begreife das sowieso alles nicht. Am besten im Unterricht die mündliche Note aufpimpen, indem ich die Hausaufgaben vorlese. Dann kann ich die Arbeit auch versemmeln. Das gleicht sich dann wieder aus. Und außerdem«, Wimperngeklimper in Richtung Lotta, »haben wir es bisher immer geschafft, den Loddar auszutricksen. Wenn er nicht guckt, tauschen wir für ein paar Minuten, bis ich alles gerafft habe, die Klassenarbeitshefte, ja? Und wenn ich abgeschrieben habe, reiche ich mein Heft an Amelie weiter.«
Mathe ist auch für mich ein Horrorfach. Wie überhaupt alle Fächer, die nichts mit Sprache zu tun haben. In Deutsch, Englisch, Französisch stehe ich locker auf Eins, alle anderen Fächer sind bestenfalls bei einer Drei minus. Aber von Lotta abzuschreiben, um dann mit ihrem Wissen im Unterricht und bei den Klassenarbeiten zu punkten, passt mir nicht. Das weiß auch Jenny, weswegen sie mich in ihren abgefahrenen Schummelplan gar nicht erst einbezieht. Lieber rackere ich zu Hause allein und versuche es irgendwie selbst.
Für die Mathe-Arbeit muss ich auf jeden Fall noch lernen.
Aber nicht heute. Vielleicht morgen.
Auf Lottas blassen Wangen bilden sich rote Flecken, während Jenny und Amelie ihr überschwänglich danken. Ich weiß genau, wie wichtig es für Lotta ist, von uns anerkannt zu werden. Und ich weiß, dass sie mit gruseligen Minderwertigkeitskomplexen zu kämpfen hat.
Sie ist die Kleinste von uns und auch die Jüngste, weil sie in der Grundschule eine Klasse übersprungen hat. Von Anbeginn haftete ihr das Image der Streberin an, worunter Lotta ziemlich leidet, wie ich weiß.
Ich halte es für falsch, dass sie sich ausnutzen lässt, damit die anderen sie mögen. Aber wenn ich sie darauf anspreche, blockt Lotta ab.
Ich finde, sie hat das nicht nötig. Sie ist nicht meine beste Freundin, weil sie schlau und großzügig ist, sondern weil sie der zuverlässigste und treueste Mensch ist, den ich kenne. Wenn man sich bei Lotta ausheult, kann man sicher sein, dass sie sofort versteht, was Sache ist. Sie sagt auch immer genau das Richtige in solchen Situationen.
Lotta ist ein tiefgründiger Mensch, und das mag ich an ihr.
Dass sie sich niemals schminken würde und ihre Haare nicht nur die Farbe von Mäusefell haben, sondern auch noch aussehen, als hätte ihr die Mama vor dem Schneiden einen Topf auf den Kopf gelegt – das ist für mich so wichtig, wie wenn in Peking ein Würstchen platzt.
Aber ich weiß, dass Amelie und Jenny über Lottas Aussehen gerne lästern. Wenn ich dabei bin, wagen sie das inzwischen nicht mehr, nachdem ich ihnen einmal verklickert habe, wie scheiße ich das finde.
»Dann schreibt ihr mal ab«, sage ich, lehne mich auf der Couch zurück und schlage die Beine übereinander. »Wenn ihr fertig seid, werft mal einen Blick auf das hier.«
Mit einer ultracoolen Bewegung will ich den Flyer aus dem Rucksack ziehen, um ihn den anderen zu präsentieren.
Aber ich weiß gerade nicht, wohin ich ihn überhaupt gepackt habe. Ins Stiftefach? Nein. Also krame ich sämtliche Collegeblocks, Bücher, einen Apfel, eine halbe Tafel Nussschokolade und eine fast leere Plastikflasche Wasser hervor, breite alles um mich herum aus und höre die Mädels seufzen. Alle gleichzeitig. Da sind sie sich einig.
»Brauchst du etwa Hilfe, Merle?« Jenny fragt in einem Ton, der sofort
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