Freche Mädchen... 10: Headline mit Herz
als ich heute Morgen in die Schule kam. Sie liegen neben der Hausmeisterloge am Getränkeautomaten aus.«
»Die haben die sogar schon bei uns verteilt?«, rufe ich. »Wie frech ist das denn!?«
Marvin zeigt mir die Handflächen. »Das ist ihr gutes Recht. Es gibt kein Gesetz, das es verbietet, eine Zeitschrift für beide Schulen herauszugeben. Nur dass wir jetzt verdammt alt aussehen mit unseren Pipithemen. Was sollte der Hauptbericht der nächsten Ausgabe werden? Die neue Jazzdance-AG? Gähn.« Er hält sich demonstrativ die Hand vor den Mund und klopft auf den Flyer, der inzwischen wieder bei ihm angelangt ist. »Das ist mal ein spektakulärer Aufmacher. Um diese Ausgabe zu bekommen, werden Leute töten!«
»Lol«, sagt Lasse. Ilona und ich glucksen. Irgendwie befreiend nach dem Beef der letzten Minuten.
Logisch, unangenehme Sache, dass es eine zweite Zeitschrift geben soll. Aber so wie Marvin steigern wir uns in eine Hysterie bestimmt nicht hinein.
»Jetzt halt mal den Ball flach.« Lasse verpasst Marvin eine freundschaftliche Kopfnuss. »Gut, dass du das für uns herausgefunden hast. Wir werden diese Info auf jeden Fall für die nächste Ausgabe der Insight berücksichtigen. Aber Krieg wird es nicht geben.«
»Tickt ihr noch sauber?«, ruft Marvin und reibt sich die Stelle am Hinterkopf. »Die machen uns platt!«
»Ich stimme Marvin zu.« Celine, die nie laut werden muss, um sich Gehör zu verschaffen. Weil sie so selten spricht, wenden sich ihr alle zu, sobald sie den Mund öffnet.
Celines Stimme ist ein gehauchtes Flüstern, das perfekt zu ihrer zerbrechlichen Elfengestalt passt. Mit ihren dünnen hellblonden Haaren, die sie im Fransenschnitt trägt, sieht sie aus wie ein Zauberwesen, das in einer Blüte wohnt. »Wir sollten uns das nicht gefallen lassen!«
Lasse breitet die Arme aus, großes Panorama. »Hallo? Das macht meine Festplatte gerade nicht mit. Wo ist das Problem? Dann gibt es eben zwei Zeitschriften und jeder kann sich aussuchen, welche er lieber liest.«
»Das Problem wird sein, dass alle nur noch die No Limits lesen werden, weil deren Leitartikel für Gesprächsstoff sorgt«, meldet sich Marvin wieder zu Wort. »Unsere Themen sind alle für’n Arsch.«
»Stopp!«, rufe ich dazwischen und zeige Marvin die erhobene Hand wie ein Verkehrspolizist. »Das ist schlicht falsch. Logisch ist es ärgerlich, dass die die Gesamtschule miteinbeziehen, aber, ich meine – was für eine hohle Macho-Show! Wer will wissen, wer das schönste Mädchen ist?«
»Tja.« Marvin schiebt die Unterlippe vor. »Also, ich finde das spannend.«
»Nicht nur er.« Wieder Celine. »So was kommt an bei den Leuten.«
»Das ist unterste Schublade!«, rufe ich. »Ich wette, die haben in ihrer Redaktion nur Typen sitzen, die sich beömmeln, während sich alle Girlies in Pose werfen, um sich fotografieren zu lassen und gewählt zu werden.«
»Wir könnten eine Gegenaktion starten«, meldet sich Ilona und grinst unsicher in die Runde. »Wir könnten einen Wettbewerb mit den süßesten Typen veranstalten und …«
Sofort brandet in unserem Redaktionsraum eine hitzige Diskussion auf. Ilona schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Das hat sie nicht gewollt.
Die Vormittagssonne wirft ihr Licht in den chaotisch vollgestopften Raum, in dem es außer einem PC, einem Drucker und einem Kopierer den ausrangierten Konferenztisch gibt, um den herum neben dem Chefsessel ein paar Stühle stehen. An den Wänden reichen Regale bis zur Decke, die gefüllt sind mit Fachbüchern über Journalismus und den verschiedenen Ausgaben unserer Schülerzeitung. Ich habe die Redaktionsleitung im Frühjahr übernommen, um der Insight einen neuen Anstrich zu geben: mehr Gewicht und mehr Gehalt.
Und weil das Schreiben mein Leben ist.
Lasse und Celine, die älter sind als ich, kamen ein paar Wochen später ins Team. Dass ich die Chefredakteurin bin, war nie ein Thema. Jedenfalls nicht offiziell. Ich fühle mich grundsätzlich akzeptiert.
Im Redaktionsteam haben sich nun zwei Parteien gebildet.
Lasse und ich beharren darauf, dass wir diesen geistigen Durchfall ignorieren sollten.
Celine und Marvin halten stur dagegen, dass die Gymnasiasten uns ausbooten.
»Wir brauchen Publicity! Wir brauchen Artikel, über die alle quatschen!«, ruft Marvin.
»Außerdem könnte man mit einer Reißer-Geschichte neue Leser gewinnen, die dann auch die tiefgründigeren Berichte und Reportagen in der Insight lesen«, fügt Celine hinzu. »Also, ich finde Ilonas
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