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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

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Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Wittwer
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ihrer Familie. Er stieg die Treppe zum Wohntrakt hoch und betrat das Wohnzimmer. Das Bild der dunkelhaarigen Schönheit stand immer noch auf der Kommode. Er setzte sich dem Bild gegenüber und schaute es minutenlang an. Die Erinnerung an seinen Traum in der Blumenwiese kehrte zurück, und wieder spürte er den Atem und die Wärme der Frau, die sich im Traum über ihn gebeugt hatte.
    Zwei Tage nach der Eroberung der Stadt zog Generalleutnant Graf von Tilly mit seinem Generalstab hoch zu Ross vor den Haupteingang des Doms. Sowohl Pappenheims Kürassiere als auch mehrere Kompanien von Söldner mit ihren Piken hatten rund um das Kirchengebäude Aufstellung genommen. Auch Kapitän Georg Ackermanns Männer waren dabei.
    Ungeduldig scharrten die Pferde der Kürassiere mit den Hufen und schnaubten. Die kaiserlichen Banner flatterten hoch im Wind, der den beißenden Gestank von verbranntem Holz und Fleisch aus der Stadt getrieben hatte.
    Tilly nickte zwei Trommlern zu, die vor dem Haupteingang des Doms standen. Sie schlugen einen langen, kräftigen Wirbel. Dann rief einer von ihnen mit lauter Stimme: »Botschaft vom kaiserlichen Feldherrn Johann Tserclaes Graf von Tilly. Hört, ihr Einwohner von Magdeburg! Der Graf gewährt allen im Dom Eingeschlossenen Gnade, seien es Männer oder Frauen, Ratsherren oder Bauern, zivile Personen oder Soldaten. Wenn sie die Türen öffnen und heraustreten, gewährt er ihnen Schonung und Milde!«
    Die Trommler schlugen einen zweiten Wirbel und traten zurück.
    Gespannt warteten alle, was geschehen würde. Niemand sagte ein Wort. Was, wenn die Eingeschlossenen sich weigerten, das Gnadenangebot anzunehmen? Würde der Generalleutnant den Befehl geben, die Türen aufzubrechen und das Gebäude zu stürmen? Würde er den Dom mit dem Grab des ersten deutschen Kaisers durch Gewalttaten entweihen?
    Niemand wusste, was der Feldherr geplant hatte. Aber es war klar, dass er auch dieses letzte Bollwerk der Stadt einnehmen und Kaiser Ferdinand II. unterstellen musste.
    Die Minuten schienen sich zu Stunden auszudehnen. Ungeduldig wanderten die Blicke der angetretenen Söldner und Kürassiere vom Portal des Doms zu Tilly. Doch der Feldherr saß mit unbewegtem Gesicht auf seinem Pferd und schwieg.
    Plötzlich öffnete sich knarrend die Eingangstür und ein Mann im Talar schob sich ins Freie. Er wirkte blass und übernächtigt. Es war Domprediger Dr. Reinhardt Bake. Er blinzelte in das helle Sonnenlicht und ging mit unsicheren Schritten auf den Generalleutnant und seine Offiziere zu. Dann fiel er auf die Knie und flehte:
    Venit summa dies, et ineluctabile fatum
Magd'burgo! Fuimus Troes, fuit Ilium et ingens
Gloria Parthenopes!
    Georg Ackermann lauschte fasziniert dem abgewandelten Vers Vergils über die Zerstörung Trojas in lateinischer Sprache.
    Der letzte Tag ist gekommen – und das unabwendbare Schicksal
Magdeburgs! Troer waren wir, Ilium war, und gewaltig
der Ruhm der jungfräulichen Stadt!
    Erwartungsvoll blickte der Domprediger zum Feldherrn auf. Dessen unbewegte Miene verriet nicht, was in ihm vorging. Doch dann streckte Tilly seine Hand aus und sagte: »Es sei euch Gnade gewährt. – Führt die Menschen heraus.«
    »Herr, sie haben zwei Tage nichts gegessen und getrunken«, sagte Bake.
    »Sie sollen Speis und Trank bekommen.«
    Reinhard Bake erhob sich, verneigte sich vor dem Grafen und sagte: »Danke, Herr! Habt Dank im Namen unseres barmherzigen Gottes.«
    Tilly nickte ihm nur zu und schwieg wieder.
    Der Domprediger kehrte zum Portal zurück und öffnete nun die Eingangstür weit. Er winkte den Menschen im Kirchengebäude herauszukommen. Es dauerte einige Minuten, dann traten die ersten der Eingeschlossenen ins Freie. Bleich und unsicher blickten sie auf die angetretenen Soldaten. Man sah ihnen an, dass sie Angst davor hatten, von den Kürassieren niedergeritten und den Piken der Landsknechte aufgespießt zu werden. Doch niemand von den Kaiserlichen rührte sich.
    Immer mehr Menschen strömten aus dem Dom: Mütter mit weinenden Kindern auf dem Arm oder an der Hand, alte Männer und Frauen, Mägde, Bauern und Handwerker, Kaufleute und sogar einige Stadtsoldaten, die sich in den Dom geflüchtet hatten.
    Der Menschenstrom schien kein Ende zu nehmen. Georg Ackermann schätzte schließlich, dass es wohl beinahe viertausend Menschen sein mussten.
    Alle sahen übernächtigt, blass und erschöpft aus. Entkräftet sanken einige der Alten und Schwachen zu Boden. Tränen liefen manchen über das Gesicht, als

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