FreeBook Die tote Unschuld - Soko Hamburg Bd 1
herauskam, dass dieser Mensch nicht hatte sterben müssen, war die Beruhigung natürlich sehr groß.
»Die kleine Julia ist also getötet worden«, stellte Frau Ostendorf nochmals fest.
»Sie klingen nicht sehr erstaunt.«
Heike hatte sich gegen den Schreibtisch gelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt. Sie blickte Julias Ex-Arbeitgeberin direkt ins Gesicht. Ob die Osterndorf geliftet worden war? Bei manchen Menschen konnte man das sehen. Aber die Boutiquenbesitzerin hatte gewiss genügend Geld, um sich anständig verschönern zu lassen.
Frau Ostendorf ließ ein geschäftsmäßiges Lächeln sehen.
»Man sollte nichts Schlechtes über Tote sagen, Frau ... äh ... Hauptkommissarin. Mir selbst hat Julia auch niemals Anlass zur Klage gegeben. Sie war pünktlich, wurde niemals krank – und vor allem konnte sie arbeiten! Sie war sich für nichts zu schade. Die Kundinnen mochten sie. Viele wollten nur von Julia bedient werden. Sie war meine Erste Verkäuferin.«
»Könnte Neid im Kolleginnenkreis im Spiel gewesen sein?«
»Das glaube ich nicht. Vor allem kann ich mir nicht vorstellen, dass eine meiner anderen Damen Julia deshalb ermordet haben soll.«
Heike schaute auf ihre Armbanduhr.
»Es ist gleich halb zwölf. Haben Sie sich noch gar nicht gewundert, dass Ihre pünktliche Erste Verkäuferin heute zu spät kommt?«
Die Geschäftsfrau schüttelte den Kopf.
»Nein, denn Julia hat zurzeit Urlaub. Ihr Urlaubsgesuch kam etwas überraschend, aber wegen ihrer guten Leistungen wollte ich ihr natürlich keinen Stein in den Weg legen. Zumal momentan auch bei uns nicht gerade Hauptsaison ist.«
Die Kriminalistin horchte auf.
»Urlaub also ... hat sie gesagt, ob sie wegfahren will? Und wenn ja, mit wem?«
»Mit irgendeinem Kerl natürlich!«, platzte Frau Ostendorf heraus. Heike war erstaunt über die heftige Reaktion ihrer sonst so beherrscht wirkenden Gesprächspartnerin. Doch gleich darauf hatte die Boutiquenbesitzerin sich wieder in der Gewalt. »Verzeihen Sie meinen Ausbruch ... ich finde wirklich, über Tote sollte man nichts Schlechtes sagen.«
»Das kommt darauf an. Wenn diese Aussage dazu führt, dass der Mörder von Julia Sander gefasst werden kann ... Was wissen Sie, Frau Ostendorf? Muss ich Sie über die Folgen einer Falschaussage belehren?«
Frau Ostendorf machte eine unbestimmte Handbewegung.
»Falschaussage, das klingt so dramatisch. Ich will einfach keinen Ärger, das ist alles.«
»Sagen Sie mir einfach, was Sie wissen.«
Die Geschäftsfrau faltete die Hände vor dem Mund. Offenbar suchte sie nach den richtigen Worten.
»Julia war ein Flittchen!«, stieß sie schließlich hervor.
»Ein Flittchen?«
»Sie haben richtig gehört, Frau Hauptkommissarin. Ich nehme an, bei der Polizei sind Sie an direkte Sprache gewöhnt.«
»Ja, das bin ich. Aber könnten Sie bitte näher beschreiben, wie Sie das meinen?«
»Julia war wirklich eine gute Mitarbeiterin und auch eine beliebte Kollegin, glaube ich. Die anderen Damen haben ihr ihren beruflichen Erfolg gegönnt. Aber sie hatte keinen Stil, was Männer anbelangt.«
»Sie meinen, Sie trieb sich mit primitiven Kerlen herum?«
Die Geschäftsfrau lachte hart.
»Sie trieb sich mit jedem Wesen herum, das sich morgens das Gesicht rasieren muss.«
»Das klingt heftig.«
»Und doch war es so, Frau Hauptkommissarin! Julia sah gut aus. Sie konnte jeden Mann haben. Aber auch wirklich jeden. Alter oder Herkunft spielten dabei keine Rolle. Ich habe sie verwarnt. Ihr Privatleben muss vor den Türen von Paris Moderne bleiben, habe ich ihr gesagt. Und daran hat sie sich gehalten.«
»Ich kann kaum glauben, dass jemand in Zeiten von AIDS noch so lebt.«
»Und doch war es so. Sie hat sich ja oft genug mit ihren Eroberungen gebrüstet. Außerdem habe ich sie manchmal nach Feierabend mit den Kerlen um die Häuser ziehen sehen.«
»Gab es nicht vielleicht einen, der aus der Menge herausstach? Ein fester Freund oder so?«
»Oh doch, den gab es. Ein gewisser Erik. Ich habe ihn einmal gesehen, als er sie von der Arbeit abholen wollte. Ein hübscher Junge war das, beste Manieren, gut gekleidet, ein zukünftiger Gentleman. Er hat mir richtig leid getan.«
»Warum?«
»Da fragen Sie noch?«, entgegnete Frau Ostendorf. »Weil er in ein Mädchen verliebt war, das jeder andere Kerl auch haben konnte, wenn er wollte. Ich weiß nicht, ob dieser Erik nichts von Julias Männergeschichten wusste. Oder es nicht wissen wollte.«
»Hatte Julia vor, mit Erik zu verreisen?«
»Ich bin nicht sicher, ob sie
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