FreeBook Die tote Unschuld - Soko Hamburg Bd 1
nichts vorgespielt?«
»Heike, um einen Kreislaufkollaps zu simulieren, muss man schon ein verflixt guter Schauspieler sein! Der Notarzt hat ihn schließlich untersucht.«
»Schon in Ordnung«, murmelte Heike gedankenverloren. »Ich hatte auch weniger an Evermann selbst gedacht ...«
»Was?«
»Nichts. Nur so ein Gedanke. Ich werde ihn mal im Krankenhaus besuchen. Aber erst muss ich noch in Julias Wohnung.«
»Willst du nicht lieber mit mir ins Präsidium zurückkommen? Der Chef wird uns schon sehnsüchtig erwarten ...«
»Nur noch kurz in Julias Wohnung schauen, ja? Vielleicht finde ich ja dort den entscheidenden Hinweis.«
»Ich werde dann deinen Kopf aus der Schlinge ziehen, wenn Dr. Magnussen ihn hineinstecken will!«
»Du bist ein Schatz, Ben!«
Diesmal ließ sie sich von ihrem Kollegen in seinem Wagen mitnehmen. Die Ohlsdorfer Straße, wo Julia Sander gewohnt hatte, lag halbwegs in der Richtung des Präsidiums.
»Also dann – bis später!«
Heike sprang aus dem haltenden Passat und ging zu dem Wohnhaus hinüber. Sechs Mietparteien wohnten dort. Sie zückte das Schlüsselbund des Mordopfers und sperrte zunächst die Haustür auf.
Julia Sander hatte im zweiten Stock gelebt. Den Wohnungsschlüssel hatte Heike schnell gefunden. Sie drehte ihn im Schloss, als die andere Tür auf dem Treppenabsatz sich öffnete.
»Jetzt kommst du nach Hause, du Nachteule?«, sagte eine fröhliche Frauenstimme. Doch gleich darauf änderte sich der Klang. Er wurde hart, aggressiv. »Wer sind Sie? Was wollen Sie in Julias Wohnung?«
Heike hatte sich umgedreht. Die Nachbarin hielt plötzlich eine Dose mit CS-Spray auf die Polizistin gerichtet!
»Immer mit der Ruhe!«, sagte Heike und fingerte schnell ihren Dienstausweis aus dem Tweedjackett. Sie hatte keine Lust auf eine Ladung Reizgas im Gesicht. Während ihrer Zeit bei der Schutzpolizei hatte sie unfreiwillig öfter eine Ladung abgekriegt, bei Schlägereien und schwierigen Verhaftungen. Es war eine Erfahrung, auf die sie verzichten konnte.
Mit zwei Fingern reichte sie der anderen Frau den Ausweis hinüber. Während diese das Dokument sorgfältig studierte, schaute Heike sich ihr Gegenüber an.
Die Frau mit dem CS-Gas war in Heikes Alter. Sie trug ihr dunkelbraunes Haar zu einem Knoten im Nacken zusammengefügt. Ansonsten war sie in eine zitronenfarbene Caprihose und ein orangefarbenes ärmelloses T-Shirt gekleidet. Sie war schlank, mit kleinen Brüsten und schmalen Hüften. Ihr Gesicht war recht hübsch. Sie machte einen offenen und sympathischen Eindruck.
»Der Ausweis scheint okay zu sein«, sagte die Nachbarin schließlich und ließ die Dose mit dem Reizgas sinken. »Aber wie kommen Sie an Julias Schlüssel?«
»Müssen wir das denn hier im Treppenhaus besprechen?«
»Gut, dann kommen Sie eben zu mir rein.«
Heike folgte der Nachbarin. Sie las das Namensschild. »A. Renning« stand an der Tür. Annegret? Amanda? Anke? Antje konnte passen, dachte Heike.
»Ich bin übrigens Anja Renning«, sagte die Frau und stellte das CS-Gas auf ein kleines Regal neben der Tür. Antje war also gar nicht so schlecht geraten gewesen. »Julia und ich sind befreundet.«
Heike atmete tief durch. Jetzt kam etwas, was sie an ihrem Beruf zutiefst verabscheute.
»Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Julia Sander nicht mehr lebt.«
Anja Renning riss ihre Augen weit auf. Sie erbleichte.
»Nein ...!«
»Leider doch. Wollen Sie sich nicht setzen?«
Heike führte Anja Renning in die kleine Küche. Julias Freundin ließ sich auf einen Stuhl fallen und begann zu weinen. Leise zwar, aber unaufhörlich.
»Ich koche Ihnen erst mal einen Kaffee«, sagte Heike. »Bis Sie sich halbwegs beruhigt haben.«
Anja Renning hatte ihr Gesicht in ihren Händen verborgen. Nur am Zucken ihrer Schultern konnte man erkennen, dass sie immer noch weinte.
Die Kriminalistin fand sich in der fremden Küche schnell zurecht. Alles war ordentlich und aufgeräumt. Die mit Naturholz verkleideten Küchenmöbel zeugten von Geschmack. Auf dem Fensterbrett stand eine große Vase mit Strohblumen.
Es gab keinen großen Küchentisch, nur eine kleine Frühstücksecke. Dort hockte Julias Nachbarin jetzt. Sie lebte ganz offensichtlich allein.
Als die Kaffeemaschine nicht mehr röchelte, goss Heike zwei Becher voll mit der duftenden heißen Flüssigkeit. Einen davon stellte sie vor Anja Renning. Dann nahm sie die Frau schwesterlich in den Arm.
»Wollen Sie mal versuchen, was zu trinken?«
Anja tupfte sich die Augen ab und schnäuzte sich
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