FreeBook Dr Westerwelle - Die erste offizielle Guidografie
bleiben, wie beide ausnahmsweise glaubhaft machen können. Merkel und Westerwelle ergänzen sich dafür in anderer Hinsicht optimal. Er äußert sich zu allem, sie zu gar nichts. Er grinst fortwährend dämlich in die Kameras, sie präsentiert eine dauerhaft miese Mundwinkelkrümmung. Und wo sich Guido in seinen feuchten Träumen selbst als Außenminister in der Figur des Scheinheiligen St. Genscher begegnet, versucht Angela mithilfe eines Schüler-Biologie-Baukastens ihre genetische Verwandtschaft mit dem alten Adenauer zu ermitteln.
Gemeinsam haben die beiden auch eine Reihe von Feinden. Allen voran Kanzler Schröder. Und weil der gegen den Krieg im Irak ist, ist Angela erst mal dafür. Guido ist wie immer erst mal nicht dafür und nicht dagegen. Mitreden muss er aber trotzdem. Als der Krieg beginnt, ist das für ihn ein »klares Versagen« der deutschen Außenpolitik. Dabei macht Deutschland gar nicht mit beim Krieg. Als er wenige Monate später merkt, dass in Deutschland auch niemand diesen Krieg will, lehnt er einen deutschen Einsatz im Iran »strikt« ab. Nachdem in der Außenpolitik vorerst aber nichts zu holen ist, konzentriert sich das frisch gebackene Politpaar Angela und Guido auf die Innenpolitik. Für Guido sind die Gewerkschaften eine »Plage« und Angela findet, dass in Deutschland alle erst mal länger arbeiten müssen, um den Wohlstand zu sichern. Wessen Wohlstand, sagt sie nicht. Dafür veranstaltet sie mit der CDU Ende 2003 einen Parteitag, bei dem dies deutlich wird. Offensichtlich hat sie sich bei Guido mit dem Neo-Virus angesteckt. Plötzlich hat sie eine sehr merkwürdige Vorstellung von sozialer Marktwirtschaft. Im Gesundheitssystem will sie eine Kopfpauschale einführen. Bei der Unternehmensberatung McKinsey hat sie sich ein Gutachten bestellt, in dem dafür ein monatlicher Beitrag von 26 4 Euro gesundgerechnet wird. Der Parteitag ist nach Merkels Rede so gut gelaunt, dass er den Betrag nochmals auf 18 0 Euro herunterbeschließt. Zur Finanzierung will sie die Steuern etwas weniger senken, als sie es eigentlich vorhatte. Von welchem Geld sie die Steuern senken will, kann sie genauso wenig erklären wie Guido. Von ihm hat sie sich aber abgeguckt, dass danach auch niemand so richtig fragt. Wichtig ist nur, dass man immer behauptet, man täte das alles für die »kleinen Leute«. Guido macht das auch so. Die kleinen Leute in Deutschland können sich mittlerweile vor Wohltätern kaum noch retten. Entlastung lauert an jeder Straßenecke, und wer nicht aufpasst, hat schnell mal einen Euro von Guido in die Tasche geschwätzt bekommen. Guido und Angela haben eine Menge solcher Geschichten auf Lager.
Im Jahr 2004 überrascht Mutter Merkel mit einer anderen Geschichte – dem Onkel aus Amerika. Deutschland braucht einen neuen Bundespräsidenten. Westerwelle hat wie immer mehrere Meinungen zu diesem Thema. Zuerst will er mit der FDP einen eigenen Kandidaten aufstellen und denkt an Wolfgang Gerhardt. Weil noch nie ein Wolfgang Bundespräsident war, schlagen einige aus der CDU den gleichnamigen Schäuble vor. Westerwelle tut erst einmal so, als ob er das auch wolle. In der engeren Auswahl sind aber auch so populäre Vaterfiguren wie Merkels Steuerprofessor Paul Kirchhof oder kinderlose Mutterfiguren wie die Ministerin Schavan. Sogar Siemens-Boss Heinrich von Pierer geistert durch die Diskussion. Zusammen mit seiner Freundin Angela präsentiert Guido schließlich aber ganz überraschend Horst, den »Mann aus dem Gebüsch«. Von ihm erzählen sie, er sei der gute Onkel aus Amerika und zudem ein Unabhängiger, der nichts mit Politik zu tun habe. Sie trichtern das dem alten Onkel so lange ein, bis der es selbst zu glauben beginnt und seinerseits erzählt, dass er gar nicht aus dem Politikbetrieb komme. Im vorgerückten Alter von 6 1 Jahren ist dem grauen Horst offensichtlich schon entfallen, dass er seit 1981 CDU-Mitglied ist und lange Ministeriumsbeamter und Staatssekretär war. Macht aber nix. Guido sieht in dem ehemaligen Sparkassenpräsident und Mitglied im Rotarier-Club einen »parteipolitisch unabhängigen Geist«. Der geistert jedoch bereits vor seiner Wahl mit der Aussage durch die Medien, er hätte gerne Merkel als Kanzlerin. Den Sinn seines bevorstehenden Amtes hat der ältere Herr damals noch nicht recht verstanden. Stattdessen redet er ganz im Sinne Guidos davon, Deutschland zu reformieren. Wenige Monate nach seiner Wahl erklärt er gegenüber dem Leistungsträgerfachblatt Focus , dass die
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