FreeBook Dr Westerwelle - Die erste offizielle Guidografie
Bühne nicht ertragen. Der frische Fang vom Rhein stellt sich jedoch bald als fauler Fisch heraus. Mit antisemitischen Äußerungen bringt das von Grün zu Gelb gewendete Mitglied die FDP in Erklärungsnot. Populist Möllemann ist gegenüber den Medien immer als Erster zur Stelle. Er verteidigt seine Neuerwerbung und wettert gegen die »Medienmacht der zionistischen Lobby«. Parteivorsitzender Westerwelle wiederum verteidigt Möllemann mit der fadenscheinigen Begründung, Kritik an Israel müsse erlaubt sein. Tatsächlich hat die Partei gute Umfragewerte, Westerwelle spekuliert auf einen Mitnahmeeffekt und weist die Kritik vom Zentralrat der Juden als »ehrenrührige Unterstellungen« zurück. Weil Westerwelle in der Sache taktiert, bricht in der FDP ein mittleres Chaos aus. Der Überläufer wird in die Partei aufgenommen, schon am nächsten Tag fordern die ersten Spitzenfunktionäre seinen Ausschluss. Westerwelle flüchtet sich in nichtssagende Formalitäten. Fast eine Woche braucht er, um herauszufinden, auf welche Seite er sich schlagen muss. Schließlich entscheidet er sich gegen Möllemann und seinen Schützling. Der will allerdings nicht klein beigeben und bricht zusätzlich noch einen Streit mit Michel Friedman, dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, vom Zaun. Dieser sei selbst mit schuld daran, dass es Antisemitismus gebe. Ein Extremkombinierer schlägt zu.
In Italien hat ein Provinzrichter seinerzeit eine ähnliche Logik parat. Junge Frauen, die vergewaltigt werden, sind selbst schuld: Was müssen die Dinger auch immer enge Jeans und kurze Röcke tragen? Aber hier wie dort scheinen einige das Denken längst aufgegeben zu haben. Es ist eine muntere Zeit für Deutschlands Medien. Die FDP liefert jeden Tag neuen Stoff zum Thema. Die Leistungsträger-Partei ist überfordert. Das diplomatische Sowohl-als-auch, das man über viele Jahre hinweg unter der personifizierten Meinungsvielfalt Genscher praktiziert hat, funktioniert in dieser Frage nicht. Zu seinem großen Pech steht für Möchtegern-Außenminister Guido in diesen Tagen ein Besuch in Israel auf dem Programm. Obwohl er dort als mittelmäßiger Schauspieler den Verständnisvollen und Zerknirschten gibt, muss er sich von Premierminister Sharon öffentlich tadeln und blamieren lassen. Trotzdem traut sich Westerwelle nicht, die Initiative zu ergreifen und Möllemann aus der FDP zu werfen. Stattdessen tingelt er lieber mit seinem Guidomobil durch die Lande. Unterdessen heckt Möllemann den nächsten Streich aus. Wenige Tage vor der Wahl verschickt er in ganz Nordrhein-Westfalen ein Flugblatt, in dem er Israel und Friedman erneut angreift. Die Absicht ist klar, Möllemann will noch mal richtig Stimmung machen. Sein Plan geht allerdings nicht auf, und die Bundestagswahl geht für die FDP in die Hose. Zudem stellt sich heraus, dass Möllemann sein Hetzflugblatt auch noch illegal finanziert hat. Im Frühjahr 2003 verlässt Möllemann die FDP und Westerwelle ist der Spaß erst einmal für eine Weile vergangen. Vor seinem geistigen Auge hat er sich schon als Außenminister in die Fußstapfen Genschers treten sehen, tatsächlich ist er erst mal vom Wähler in den Hintern getreten worden. Der große Guido ist auf einmal wieder ganz klein und mault wie ein trotziger Junge über die neue Bundesregierung, in der seiner Ansicht nach nur Politiker sitzen, die »bereits in der Vergangenheit nicht überzeugt hätten«. Er ist so verwirrt, dass er in seiner künstlichen Aufgeregtheit im Bundestag den SPD-Fraktionsvorsitzenden Müntefering schon mit »Möllemann« anredet. Als Guido nach Möllemanns Selbstmord mit Vorwürfen konfrontiert wird, er sei mit schuld an der Tragödie, weint er sich bei einem Spiegel- Reporter aus: »So etwas geht an den Urschleim der Seele.« Guido ist auf der Suche nach Geborgenheit.
Er findet sie – wie viele orientierungslose junge Männer – bei einer älteren Frau. Nur sieben Jahre trennen Guido von Angela, wie er sie bald nennen darf. Für Guido ist die protestantische Pastorentochter wie eine Mutter. Bei ihrer Cabrio-Fahrt sind sich die beiden nähergekommen. Schon damals machte Guido aus seiner Bewunderung für diese Frau, von der er einmal glücklich gemacht werden will, keinen Hehl: »Ich fahre, aber Frau Merkel sagt, wo es lang geht.« Von nun an telefonieren die beiden oft, gehen gelegentlich frühstücken oder zum Italiener, wie frisch Verliebte das eben so machen. Ihre Beziehung wird jedoch zeitlebens nichtsexueller Natur
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