freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
Kollegen die Zeit zur Replik zu lassen, stieg ins Auto,
wie er war – in Trainingsjacke, schweißnassen Socken und staubigen Tennisschuhen –, und flog förmlich nach Genua. Zwanzig
Minuten später rollte er auf den Parkplatz des Polizeipräsidiums.
Im Korridor kam ihm Giampieri entgegen, er grinste bis über beide Ohren, klopfte ihm auf die Schulter und zog die Hand etwas
angewidert zurück. »Ich sehe, du willst den Fall so abschließen, wie du ihn begonnen hast. Man kann nicht behaupten, daß er
dich nicht ins Schwitzen gebracht hätte.«
»Ich habe es geschnallt, endlich habe ich es geschnallt«, sagte der Kommissar, ohne ihn zu grüßen.
»Was hast du geschnallt?«
»Laß Adelchi herkommen. Sofort. Und dann werde ich es dir erklären.«
Giampieri hob eine Augenbraue. »Adelchi? Den Linienrichter?«
»Sicher. Er ist es. Er weiß alles. Vergiß die Verkäuferin, die hat nichts damit zu tun.«
»Wirklich?« fragte der Vizekommissar, wobei er sich über den Kinnbart strich.
»Sicher. Ich kann’s dir jetzt nicht erklären, aber es war eine Eingebung, die mir beim Spielen kam. Wenn du ihn herzitierst,
wird er innerhalb von zehn Minuten alles ausspucken.«
Giampieri hakte sich bei ihm unter: »In Ordnung. Jetzt beruhige dich und komm mal mit.« Er ging voraus in den Vernehmungsraum.
Als sie in den Bereich für die Beobachter kamen, sah der Kommissar jenseits der Trennscheibe, allein im Zimmer auf einem Stuhl
sitzend, den Kopf in die Hände gestützt – Giovanni Adelchi.
|391| Marco Luciani drehte sich zu Giampieri um, er traute seinen Augen nicht.
»Einige Minuten bevor du mich anriefst, hat er gestanden. Und ich mußte nicht einmal in die Mönchskutte schlüpfen.«
Dem Kommissar blieb für einen Moment der Mund offenstehen. Er betrachtete Giampieri, dann den Linienrichter, dann erneut Giampieri,
und schließlich brach er in schallendes Gelächter aus. Er umarmte seinen Stellvertreter und tränkte ihn in Schweiß.
»Du bist eine Wucht, Herr Ingenieur. Eine Wucht. Wie hast du das denn geschafft?«
»Auf meine Art. Keine geniale Eingebung, nur Arbeit und Technologie. Oder kurz gesagt: mit den Verbindungsübersichten.«
»Hat er dir alles erzählt?«
»Fast. Der Schiedsrichter hat sich umgebracht, Adelchi fand die Leiche und brachte die Spuren ein wenig durcheinander. Es
gibt nur noch eine Sache, bei der er flunkert: den Abschiedsbrief. Vielleicht blickst du da eher durch als ich.«
Luciani betrat das Zimmer, gefolgt von Giampieri. Linienrichter Adelchi schien um zwanzig Jahre gealtert. Seine Arme hingen
reglos herab, aus den geschwollenen, roten Augen war jede Spur von Selbstsicherheit verschwunden.
»Sie sind es, Herr Kommissar.«
»So sieht es aus. Wie fühlen Sie sich?«
»Schlecht. Ich müßte mal auf die Toilette.«
Giampieri und Marco Luciani schauten einander an. Es kam häufig vor, daß jemand, der sein Gewissen erleichtert hatte, aufs
Klo rannte, um auch den Rest loszuwerden.
»Ich begleite ihn«, sagte der Kommissar zu seinem Vize. Giampieri warf ihm einen dankbaren Blick zu, und als der |392| Linienrichter ihnen den Rücken zuwandte, zeigte er mit einer stummen Geste, daß es schon das vierte Mal war.
Während Adelchi sich in Krämpfen schüttelte, schluchzte und beängstigende Geräusche von sich gab, wusch Luciani sich im Vorraum
das Gesicht, dann betrachtete er sich im Spiegel. Es schien, als hätten sich die Falten in seinem Gesicht ein wenig geglättet.
Das ist dem Sieg über Andrea zu verdanken, dachte er. Dieser Sieg hier ist dagegen einzig Nicolas Verdienst. Er empfand keinen
Neid, nur Erleichterung darüber, daß sein Stellvertreter endlich reif für den Karrieresprung war. Wenn Luciani ging, würde
er die Mordkommission in kundige Hände geben.
Nach einigen Minuten erschien Adelchi wieder, er war leichenblaß. Der ganze Toilettenraum stank nach seinen Exkrementen und
dem Schweiß des Kommissars. Der Linienrichter wusch sich gründlich die Hände, dann betrachtete er Marco Luciani: »Ich bitte
um Verzeihung. Ich muß irgend etwas Verdorbenes gegessen haben …«
»Das ist normal. Sie sind nervös. Jetzt wissen Sie, warum man von schmutzigem Gewissen spricht und wie man es wieder sauber
kriegt.«
Sie kehrten in den Vernehmungsraum zurück, Giampieri erzählte dem Kommissar, was Adelchi berichtet hatte, und ab und zu bat
er den Hauptdarsteller um Bestätigung.
»… damit wären wir also beim Abschiedsbrief des Opfers
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