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freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani

Titel: freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Paglieri
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diesem Schmerz
     völlig auszuliefern, auf daß er ihm auch noch das Hirn lahmlegte und jeden weiteren Gedanken ausradierte. Es stand 5:5, fünfzehn
     beide im dritten und entscheidenden Spiel. Den ersten Satz hatte er zu schnell und zu leicht gewonnen: 6:2. Dann war er im
     zweiten Satz 3:1 in Führung gegangen und hatte sich der Illusion hingegeben, er habe den Sieg bereits in der Tasche, nur für
     einen Moment, ein paar Ballwechsel lang, aber lange genug, um sich völlig aus dem Rhythmus zu bringen. Er hatte acht Spiele
     in Folge verloren, 3:6, 0:3, dann hatte er sich aufgebäumt und wieder ins Spiel gebracht. Nun hatten sie beide, Andrea wie
     er, den absoluten Siegeswillen. Auch der Geometer schaute zu, und seine Skepsis lastete auf dem Kommissar, der spürte, daß
     der Mann auf Marcos Zusammenbruch wartete. Luciani war müde und hätte gerne vor seinem Schmerz kapituliert. Er hätte sagen
     können, daß er im Grunde, wäre die Verletzung nicht gewesen, wer weiß … Alle hatten sie gesehen, daß er humpelte, und Andrea
     wäre der erste, der sagen würde: »Wirklich schade, diesmal hättest du es packen können …«
    Allein der Gedanke an Aufgabe verleitete ihn zu einem Doppelfehler, den nächsten Ball spielte er zu weich, Andreas Return
     landete hinter Luciani in der Feldecke und spritzte von der Linie weg: 15:40. Na bitte, jetzt kam auch |386| noch Pech dazu. Er konnte nicht auf einen Sieg hoffen, wenn sich alles gegen ihn verschwor, zuerst die Netzkante, die ihn
     beim Stand von 4:4 überlistet hatte, und nun diese verdammte Grundlinie. Jetzt genügte eine Kleinigkeit, und sein Aufschlagspiel
     war verloren, ein weiterer Doppelfehler genügte, ein verschlagener Ball, und die Spannung würde weichen, der Schmerz würde
     weichen. Er versuchte ein As, an das er selbst nicht recht glaubte – der Ball landete einen Meter im Aus. Er sagte sich im
     stillen vor, daß er gar nicht an einen Doppelfehler denken durfte, sonst passierte er wirklich, das war fast ein Naturgesetz.
    Er atmete tief ein, ließ den Ball ein paarmal im Feld aufdotsen und sagte sich: Wenn ich ihn wirklich schlagen will, dann
     ist dies der Moment, in dem ich meinen Gegner hassen muß, ich muß Andreas Gesicht da drüben wegwischen und durch die Maske
     des Feindes ersetzen, des Mannes, der mich seit fast drei Wochen an der Nase herumführt.
    Er warf einen verstohlenen Blick übers Netz und sah die Beine seines Gegners; dieser tänzelte, in Erwartung des Aufschlags,
     und diese Zurschaustellung vermeintlicher Kraftreserven öffnete dem Kommissar die Augen. Luciani erkannte, daß Andrea ein
     Bluff war, er war immer nur ein Bluff gewesen und hatte sich in all den Jahren an Lucianis Unsicherheit und Ängsten gelabt.
     Wenn Marco ihn ans Netz lockte, ihm einen echten Schlagabtausch abverlangte und sich nicht einfach abschlachten ließ, dann
     würde sich zeigen, daß sein Gegner nicht die Spur von Genialität besaß. Er würde vier Volleys improvisieren und verhauen:
     einen zerbrochenen Stift, einen verrückten Stuhl, ein verschwundenes Handy und eine verschlossene Tür.
    Marco Luciani hob den Blick und sah wie aus sich lichtendem Nebel das Antlitz des Täters auftauchen. Ein Moment, und er hatte
     alles durchschaut, und in diesem Moment, da er das Gesicht sah, fragte er sich, wie er es so lange |387| hatte übersehen können, eine so offenkundige und banale Lösung, im Grunde die einzig mögliche. Er ließ weiter den Ball aufspringen,
     und bei jedem Aufprall fügte sich ein weiterer Mosaikstein ein, bis das ganze Bild vollendet schien, ohne Schmierer, ohne
     Fehler. Der Kommissar dachte nicht weiter nach, er fixierte die Augen des Täters und drosch einen zweiten Ball übers Netz,
     er schlug hart, zentral, und da war es: das As. Andrea stand wie versteinert, dann schüttelte er den Kopf und kicherte, als
     wollte er sagen: »Jetzt schau dir diesen Dusel an.«
    Marco Luciani spürte, daß er keine Fehler mehr begehen konnte, er war in diesen magischen Bereich vorgedrungen, in dem Spieler,
     Schläger und Ball zu einer Einheit verschmelzen und wo jeder Schlag, jeder Punkt die logische Konsequenz dessen sind, was
     man eben gedacht und gewollt hat. Auch der Schmerz war nicht mehr so stark. Der Fuß tat weh, aber wenn Marco punktete, spürte
     er ihn eigentlich kaum noch. Gab er dagegen einen Punkt ab, dann kehrte er humpelnd an die Grundlinie zurück, und jeder Schritt
     löste einen jaulenden Schmerz aus. Er hatte sich bei dieser

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