freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
Marco Lucianis Stirn immer tiefer wurden, und ahnte, daß er dasselbe dachte wie sie, suchte
Sofia Lanni nach einem möglichst unbeschwerten Ton und nahm einen weiten Umweg, um ihr Ziel zu erreichen.
|245| »Ist dir klar, daß du mir praktisch nichts von dir erzählt hast? Ich weiß nur, daß du Polizeikommissar bist, ehrlich und unbestechlich,
daß du nichts ißt, und ich weiß nicht, wo du die Kraft hernimmst, mich zu bumsen …«
Er brummte mit vollem Mund: »Und ob ich heute abend esse.«
»Nein, im Ernst. Bist du Einzelkind? Hast du Geschwister? Leben deine Eltern noch? Was hast du studiert? Ich weiß nicht, ob
du religiös bist, welche Bücher du liest, ob du gerne verreist … Das ganze Zeug halt, das ihr Kerle normalerweise einem Mädchen
auftischt, bevor ihr es verführt und sitzenlaßt. Wenn ich es recht bedenke, hast du nicht einmal diese Anstrengung unternommen,
ich habe es dir viel zu leicht gemacht.«
»Was soll das jetzt? Wir haben doch eine Menge geredet …«
»Aber fast nur über die Arbeit. Das ist doch traurig. Ich meine, offensichtlich hat es funktioniert, aber jetzt würde ich
gerne mehr erfahren. Ich bin kein oberflächliches Ding, auch wenn du vielleicht gedacht hast … Meine Herren, ist dir das eigentlich
klar? Ich habe mich praktisch auf dem Silbertablett ausgestreckt, und du hast dich einfach über mich hergemacht, du Lüstling!«
Während sie redete, wechselte sie zwischen Lächeln und gespieltem Ärger, und ab und zu tat sie, als wollte sie ihn ohrfeigen,
oder sie schoß mit ihren schmachtenden Augen grüne Pfeile nach ihm ab. »Nein, das schwöre ich, du kommst nicht mehr an mich
ran, bevor du mir nicht alles über dich erzählt hast.«
Marco Luciani wußte zu schätzen, daß sie ihm die Wahl ließ: Wenn er wollte, konnte er über den Artikel reden. Wenn nicht,
konnte er ein Alternativthema anschneiden. So kam er wenigstens auf andere Gedanken, wenn er schon seinen Kummer nicht loswurde.
|246| Sie gab ihm noch ein kleines Stück Kuchen und fügte einen Schlag Eis hinzu. Er wehrte sich nicht. Später würde er warten,
bis sie schlief, ins Bad laufen und alles wieder ausspeien. Während er überlegte, wo er beginnen sollte, und die letzten Happen
hinunterschluckte, spürte er, wie aus seinem Unterleib eine andere Art von Appetit aufstieg. Er verlor sich im Anblick von
Sofia Lannis Beinen, spürte den Drang, sich vor sie hinzuknien und sie zu küssen, an der zartesten Stelle der Schenkel, um
sich dann hochzuarbeiten, immer höher, und erneut einzutauchen …
Sie zog die Knie an die Brust und packte die Beine unter das T-Shirt. »Hör schon auf, mich so anzuschauen. Ich hab’s dir gesagt:
Da kommst du nicht mehr ran.«
Der Kommissar wußte, daß sie Spaß machte. Aber er wußte auch, daß er auf ihre Hilfestellung eingehen mußte, wenn er nicht
wollte, daß sich ein kleiner Riß zwischen ihnen auftat; und ein kleiner Riß kann auf lange Sicht eine Katastrophe heraufbeschwören.
»Okay. Du hast eine Frage frei. Nein: zwei.«
»Ach, jetzt hör dir das an! Nur nicht zu großzügig, bitte! Und dann gibst du mir vielleicht noch einsilbige Antworten.«
»Nein, nein, ich rede dann. Ich erzähle dir alles.«
»Erzähl mir von deiner Familie. Von deinen Eltern, deinen Brüdern und Schwestern.«
Er tat immer noch, als wollte er sich sperren: »Hey, das nennst du eine Frage? Ich meinte so was wie: ›Was hast du studiert?‹
Das ist keine Frage, das ist eine komplette Therapiesitzung.«
Sie zog ihr T-Shirt ein Stück hoch, entblößte die Beine, streckte sie aus und legte einen Fuß auf seinen Oberschenkel. »Nur
Mut. Wenn du schön brav bist, kommt nachher die Frau Doktor und untersucht dich.«
Marco Luciani begann, ihre Zehen zu streicheln, die |247| Fußsohlen zu massieren. Er spürte, daß er in Kürze wieder in Wallung geraten würde, noch einmal, so unglaublich es schien.
Mit leiser Stimme begann er zu reden, ohne sie anzuschauen, und er erzählte ihr Dinge, die er noch nie jemandem anvertraut
hatte.
»Ich bin Einzelkind. Meine Eltern leben noch, aber für mich ist es so, als wären sie tot. Zumindest mein Vater. Sie wohnen
nicht weit von hier, aber ich habe sie seit Jahren nicht gesehen.«
Er spürte, daß ein Schauder durch ihre Fußsohlen ging.
»Die Gründe will ich dir nicht im einzelnen erklären, das Wesentliche stand in dem Zeitungsartikel. Sagen wir, ich bin in
einer sehr exponierten, reichen Familie aufgewachsen, ohne
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