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freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani

Titel: freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Paglieri
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mir je die Frage zu stellen, was hinter diesem Reichtum steckt.
     Als ich es entdeckte, war ich bereits an der Universität, ich studierte Jura und glaubte sogar an all die schönen Reden über
     Recht und Gesetz, vor dem alle gleich sind, und so weiter. Es ist nicht schön, wenn man kurz vor dem Studienabschluß steht,
     bereit, die Stelle des Vaters einzunehmen oder ihm zumindest in der Kanzlei an die Seite zu treten, und dann kommen plötzlich
     im Morgengrauen die Carabinieri ins Haus und führen diesen Vater in Handschellen ab.«
    Er schwieg eine Weile. Er würde dieses Bild nie aus seinem Gedächtnis bekommen.
    »Natürlich war ich von seiner Unschuld überzeugt. Ich hätte für ihn die Hand ins Feuer gelegt. Aber beim Prozeß kamen dann
     schwerwiegende Beweise ans Licht. Kontakte zu den Richtern, Kontakte zu Politikern und Unternehmern, Bankkonten im Ausland.
     Mein Vater war sicher nicht der Kern der Untersuchung, die Richter wollten die großen Fische schnappen, die Politiker. Aber
     mein Vater steckte mit Haut und Haaren drin im Bestechungssystem. |248| Er war der Mittelsmann, der Rechtsbeistand. Alle hatten sich enorm bereichert, und die Zeche zahlte die Gemeinschaft. Ich,
     du, alle.«
    Sofia Lanni sagte nichts. Sie streichelte ihn vorsichtig mit dem Fuß und hörte ihm zu. Sie kannte ein wenig die Geschichte
     des großen Schmiergeldskandals, damals war sie ein kleines Mädchen und interessierte sich nicht besonders für solche Sachen,
     aber monatelang war in allen Zeitungen und Nachrichtensendungen die Rede davon gewesen.
    »Ich nehme an, daß du von der ganzen Angelegenheit gehört hast.«
    Sie nickte. »Ja, aber ehrlich gesagt kann ich mich an keinen Luciani in dem Zusammenhang erinnern. In dem Artikel steht, du
     hast deinen Nachnamen geändert.«
    »Ich habe den Mädchennamen meiner Mutter angenommen, da ihre Familie keine männlichen Nachkommen hat.«
    Er sagte ihr, wie sein Vater hieß, und sie riß die Augen auf. Es war nicht einfach, sich diese direkte Verbindung zwischen
     einem der berühmtesten Anwälte Italiens, einem Mann mit Villen, Jachten und Millionenhonoraren, und einem bescheidenen Polizeikommissar
     vorzustellen, der auf fünfzig Quadratmetern lebte, in einer schmutzigen Gasse, die nach Curry stank.
    »Am Ende wurde mein Vater verurteilt. Acht Jahre und sechs Monate in erster Instanz. Aber dank Berufungsverfahren, erneuter
     Berufung, Strafmilderung, Straferlaß und so weiter hat er schließlich nicht einen Tag im Gefängnis verbracht, abgesehen von
     den paar Monaten direkt nach der Festnahme, als sie ihn zum Reden bringen wollten. Ihm wurde auch die Bekleidung öffentlicher
     Ämter untersagt, was später, ich weiß nicht wie, annulliert wurde, außerdem bekam er noch eine Reihe kleinerer Strafen auferlegt,
     vielleicht wurde ihm irgendwann auch die Zulassung als Strafverteidiger entzogen, aber nach einigen Jahren muß alles |249| erlassen worden sein, denn er nahm seine Tätigkeit wieder auf, als ob nichts gewesen wäre. Im übrigen sind nach und nach auch
     alle anderen wieder aus ihren Löchern gekrochen. Die Politiker, die Unternehmer. Natürlich auch die korrupten Richter: in
     eine andere Stadt versetzt, das war’s. Ich weiß selbst nicht, worauf ich damals hoffte, einerseits wollte ich meinen Vater
     nicht am Pranger sehen, andererseits wollte ich, daß er bestraft wird und die Strafe abbüßt, dann hätte ich ihm eines Tages
     verzeihen, ihn wieder in die Arme schließen können. Keine Ahnung, ist wahrscheinlich irgend so eine bescheuerte katholische
     Vorstellung, die ich mit mir rumtrage, ich, der ich nie religiös war, aber für mich kann man, wenn man nicht gebüßt hat, nicht
     einfach wieder mit weißer Weste herumlaufen.«
    Er schenkte sich ein bißchen Wasser ein. Er war es nicht gewohnt, soviel zu reden.
    »Jedenfalls habe ich am Ende beschlossen, daß seine Strafe ich sein würde. Vielleicht habe ich das aus Egoismus getan, um
     nicht mein ganzes Leben lang als ›Sohn von …‹ zu gelten. Oder vielleicht aus Anmaßung und Hochmut, weil ich das Gefühl haben
     wollte, besser als er und alle anderen zu sein. Im Grunde ist es absurd, die Stelle von Richter und Schöffen einnehmen zu
     wollen, in einem typisch italienischen System, das seit Jahrhunderten besteht und das offenkundig entwickelt und benutzt wurde,
     weil es zu unserer Mentalität paßt. Wir sind damit einverstanden. Nur ist meine Mentalität eine andere. In meinem kleinen
     Bereich, in dem ich mehr

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