Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman

Titel: freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
verlangst du dafür, fragte er.
    Die Antwort überraschte ihn nicht einmal.
    Dich.
    Urd schenkte ihm zum zweiten Mal nach, und er leerte auch diesen Becher mit einem einzigen langen Zug, ohne den Geschmack des Weins auf der Zunge auch nur zu spüren. Seine Hände zitterten so sehr, dass er einen Gutteil davon verschüttete, bevor es ihm gelang, den Becher an die Lippen zu setzen, und hinter seiner Stirn drehte sich alles.
    Aber es war nicht die berauschende Wirkung des Weines, die er spürte – so sehr er es sich auch in diesem Moment gewünscht hätte, wusste er zugleich doch auch, dass das neue Leben, das der Gott ihm geschenkt hatte, so etwas nicht zuließ. So wenig, wie sein Körper durch Stahl oder Stein wirklich verletzt werden konnte, so wenig war ihm das flüchtige Vergessen gegönnt, das im Wein lag.
    Dennoch schenkte er sich noch ein drittes Mal nach. Seine Hände zitterten immer noch, als er den Becher auf den Tisch zurückstellte. »Er hat mich belogen«, murmelte er.
    Die Worte galten nicht Urd, aber sie antwortete trotzdem darauf. »Nein, das hat er nicht, Thor. Du warst tot. Er hat dir das Leben zurückgegeben. Das war der Handel.« Sie schüttelte langsam den Kopf. »Die Götter halten stets ihr Wort. Wir Menschen sind es, die sich selbst belügen.«
    Zorn explodierte in ihm, doch dann begriff er, dass es nur Hilflosigkeit war und ein Gefühl der Ohnmacht, das fast an körperlichen Schmerz grenzte. Vielleicht hatte sie recht. Vielleicht hatte er sich selbst belogen, weil der verzweifelte Wunsch, am Leben zu bleiben, einfach stärker gewesen war als alles andere. Aber gab das auch den Göttern das Recht, dasselbe zu tun? Und gab es ihnen das Recht, ihn zu benutzen und über sein Leben zu verfügen, als wäre es ihr Eigentum?
    »Er hatte kein Recht dazu«, murmelte er. »Ich hatte ein Leben! Eine Heimat und eine Familie! Ich hatte eine Frau und Kinder!«
    »Hast du die nicht jetzt auch?«, fragte sie sanft.
    Zornig schüttelte er den Kopf »Nein! Oder doch, aber das ist … etwas anderes. Er hatte nicht das Recht, mir all das wegzunehmen!«
    »Du warst tot, Thor«, erinnerte Urd ihn sanft. »Der Vater dieser Kinder und der Ehemann dieser Frau ist in jener Felsspalte gestorben. Sein Leben war zu Ende. Er hat dir ein neues Leben angeboten, und du hast das Angebot angenommen. Es war deine Entscheidung.«
    »Das war es nicht!« Jetzt schrie er wirklich. »Er hat mir mein Leben gestohlen! Was ist denn unser Leben, außer dem, woran wir uns erinnern, und die, die wir lieben?«
    »Aber ich liebe dich, Thor«, sagte sie traurig.
    »Ich weiß«, antwortete er. Und ich dich. Fast hätte er es laut ausgesprochen, aber er war sich nicht mehr sicher. Ganz tief in sich war er nicht einmal mehr sicher, ob er sie jemals wirklich geliebt hatte.
    Als hätte sie seine Gedanken gelesen, füllten sich ihre Augen mit Tränen, auch wenn ihre Lippen weiter lächelten. Sie sagte nichts.
    Lange Zeit herrschte Schweigen zwischen ihnen, eine Stille, die ihm den Atem abzuschnüren schien und eine Mauer zwischen ihnen errichtete, so fest und unbegreiflich wie das zyklopische Mauerwerk der Kaverne.
    »Ich weiß, was du jetzt fühlst, Thor«, sagte Urd endlich. Der Schmerz war noch immer in ihren Augen, aber ihre Stimme und ihr Gesicht waren sanft und voller Verständnis. »Aber der Schmerz wird vergehen. Die Götter haben dich ausgewählt, weil du stark bist. Dein neues Leben hat einen Grund.«
    »Die Götter …«, wiederholte er bitter. Götter? Er erinnerte sich an den Schatten, den er gesehen hatte, ein Schemen ohne Substanz, aber voller Bosheit, eher Dämon als Gott … falls das überhaupt ein Unterschied war.
    »Du glaubst jetzt, sie zu hassen«, antwortete Urd. »Du fühlst dich betrogen und um ein Leben beraubt, das du schon lange nicht mehr hattest. Aber sie haben dir dein altes Leben nichtgestohlen, sondern dir ein neues geschenkt. Meinst du nicht, du solltest dieses Geschenk einfach annehmen und zu etwas Gutem nutzen?«
    Etwas Gutem? »Zum Beispiel, als Aushängeschild für euren neuen Glauben herzuhalten?«
    »Es ist kein neuer Glaube«, antwortete Urd. »Es ist der älteste und einzige Glaube überhaupt. Wir dienen den Göttern. Den einzigen. Sie waren hier, bevor es Menschen gab, und sie werden noch da sein, wenn selbst die Erinnerung an uns schon lange vergessen ist.«
    »Wozu brauchen sie uns dann?«, fragte Thor bitter.
    »Sie brauchen uns, so wie wir sie brauchen«, antwortete Urd. Etwas änderte sich. Ihre

Weitere Kostenlose Bücher