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freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman

Titel: freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gemauerte Alkoven war jetzt nicht mehr dunkel. Aufdem letzten Stück wies ihnen der flackernde Schein einer Fackel den Weg. Lif und seine Schwester standen mit betroffenen Gesichtern und in niedergeschlagener Haltung da. Keiner von beiden sah ihn an.
    Urd scheuchte sie mit einer unwilligen Geste aus dem Weg, trat gebückt in die niedrige Kammer und ließ sich neben der reglosen Gestalt in die Hocke sinken.
    »Das ist Borde, die Tochter eines Fischers«, sagte sie. Ihre Miene war noch immer vollkommen ausdruckslos. »Sie war erst das zweite Mal bei uns, das arme Kind. Sie hat mich so angefleht, die Maske der Kriegerinnen zu tragen … ich glaube, für sie war das alles nur ein großes Abenteuer. Armes Ding.« Sie sah zu ihm auf, stirnrunzelnd und sehr ernst, aber ohne jeglichen Vorwurf. »Musstest du sie töten?«
    »So etwas passiert, wenn Kinder die falschen Spiele spielen«, erwiderte er kalt. »Ich wollte ihr nichts tun.«
    »Aber du hast es getan«, murmelte Elenia. »Sie war doch … nur ein Mädchen. Nicht viel älter als ich! Du hättest sie nicht töten müssen!«
    »Sei still, Elenia!«, schalt sie Urd. »Sie war eine von uns, und sie ist für unseren Glauben gestorben. Du solltest nicht …« Sie sprach nicht weiter, sondern stand plötzlich ruckartig auf und sah ihre Tochter an, und ihre Miene verfinsterte sich noch mehr. »Du hast es ihm gesagt, nicht wahr?«
    »Aber ich wollte das alles nicht!«, verteidigte sich Elenia. »Ich wollte doch nicht, dass so etwas passiert! Ich wollte doch nur …«
    »Sie war in Sorge um dich«, sagte Thor, »und um ihren ungeborenen Bruder.« Die Worte klangen sogar in seinen eigenen Ohren nach genau der billigen Ausrede, die sie auch waren.
    »So, du warst in Sorge um mich.« Urd maß ihre Tochter mit einem langen und sehr nachdenklichen Blick. »Das ehrt dich«, sagte sie dann. »Aber ich hatte dir verboten –«
    »Du hast selbst gesagt, dass du dich schlecht fühlst!«, unterbrach sie Elenia. »Und du hast Schmerzen, das sieht man dir an, und wenn du es noch so sehr abstreitest!«
    »Das ist wahr«, antwortete Urd. »Aber es ist auch normal. Euer Bruder kommt in wenigen Tagen zur Welt … Dennoch: Ich hatte dir verboten, nach draußen zu gehen. Jetzt siehst du die Folgen.«
    »Aber ich –«
    »Ich weiß, dass du das nicht wolltest. Du hast sicher nicht einmal geahnt, dass so etwas passieren könnte, aber nun ist eine unserer Schwestern tot. Wie du es gesagt hast: Ein Mädchen, kaum älter als du.«
    »Urd!«, sagte Thor scharf.
    »Ebenso gut hättest du sie auch mit deinen eigenen Händen töten können«, fuhr Urd gnadenlos fort.
    »Urd, das reicht!«, sagte Thor zornig. »Elenia kann nichts dafür! Ich habe sie getötet, nicht sie!«
    Er versuchte nach ihrem Arm zu greifen, aber sie riss sich los und funkelte ihn mit einer Kälte an, die ihn innerlich erschauern ließ.
    »Es ehrt dich, dass du sie in Schutz nimmst, aber Elenia ist alt genug«, sagte sie. »Es wird Zeit, dass sie lernt, Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen!«
    »Was bist du nur für ein Mensch«, flüsterte Thor. »Sie ist deine Tochter, Urd!«
    »Ja«, antwortete sie kalt. »Und eines Tages wird sie meine Nachfolgerin werden. Von dem, was sie sagt und entscheidet, werden Menschenleben abhängen. Vielleicht wird sie über Krieg und Frieden entscheiden und über das Schicksal ganzer Völker. Sie muss lernen –«
    »Kein Mensch mehr zu sein?«, unterbrach sie Thor. »Da bin ich ganz sicher, dass sie das lernen wird. Immerhin hat sie eine gute Lehrerin. Und mich als gutes Vorbild.«
    Für einen Moment, einen unendlich kurzen Augenblick nur, verlor Urd die Kontrolle über ihre Züge. Aber vielleicht glaubte er es auch nur, denn sie hatte sich auch schon wieder in der Gewalt, noch bevor er wirklich sicher sein konnte, und ihr Gesicht erstarrte zu einer Maske nahezu vollkommener Ausdruckslosigkeit.
    »Wenn Ihr es so meint, Herr«, sagte sie, während sie das Haupt vor ihm neigte. »Eure Worte verletzen mich, aber wenn das Eure Entscheidung ist, so werde ich sie hinnehmen.«
    »Dann ist es ja gut«, antwortete Thor. »Und es bleibt dabei. Bis das Kind geboren ist. Und keinen Tag länger.«

19. Kapitel
    Z umindest für die nächsten vier Tage sah er weder Urd noch die Kinder wieder, und auch am Leben in der Stadt schien sich rein gar nichts zu ändern. Sosehr Thor auch auf irgendeine Veränderung in Gundris oder Helgas Verhalten achtete, verhielten sie sich doch nicht anders als zuvor.

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