Freibeuter der Liebe
Gegenteil. Meistens verspürte er den Drang, die Flucht zu ergreifen. Das Mädchen im nächsten Hafen abzusetzen und davonzusegeln. Zurück zu seiner wahren Geliebten – dem Meer.
Wie Nathan. Wie sein Vater.
Und doch war er hier und teilte das Meer mit der einzigen Frau, die die Anziehungskraft dieser kompromisslosen Geliebten wahrhaft verstand.
Am Bimmeln ihres Glöckchens hörte er, dass sie zurückkam, und als er sich umdrehte, sah er sie mit zwei Bierflaschen in einer Hand und einem Teller mit zwei Mangos, einem Messer und einer Serviette in der anderen auf sich zukommen.
„Möchtest du auch eine Mango?“ Sie reichte ihm sein Bier und setzte sich im Schneidersitz aufs Deck, den Teller auf den Knien balancierend.
Rick nickte und setzte sich neben sie. „Danke, später vielleicht.“
Stella hob die große reife Frucht an ihr Gesicht und atmete den intensiven Duft ein.
„Mmm, köstlich“, murmelte sie. „Die ganze Kombüse riecht danach.“
Rick nickte. Das war ihm auch aufgefallen, als er vorhin unter Deck war, aber er mochte nicht hinsehen, wie sie atemlos etwas anderes anschmachtete als ihn selbst, und so hielt er den Blick fest auf den Horizont gerichtet.
Stella legte die Mango auf den Teller, und bei dem Gedanken an die süße, warme Frucht lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Sie schnitt in das weiche Fleisch, ein Tropfen Saft perlte heraus, und das berauschend starke Aroma umhüllte sie.
Indes war ihr sehr bewusst, dass Rick neben ihr saß, ohne einen Ton zu sagen. Bewusst, was gestern Nacht hier an Deck zwischen ihnen passiert war und dass es zwischen ihnen stand. Normalerweise hätte Rick jetzt über die Sterne geredet oder über Inigo und La Sirena.
Stattdessen saßen sie schweigend nebeneinander, wie schon beim Abendessen.
Stella holte tief Luft, während sie eine Mangohälfte würfelte. So konnte es nicht weitergehen. „Wegen gestern Abend …“
Rick stockte der Atem, und er trank erst einen Schluck Bier, bevor er wagte, sie anzusehen. „Was ist mit gestern Abend?“
Stella wich seinem Blick aus. „Du hattest recht“, sagte sie, mit der anderen Hälfte beschäftigt. „Wir würden es bedauern. Tut mir leid, dass ich es dir so schwer gemacht habe.“
Rick schluckte, als sie die aufgeschnittene Mangohälfte umstülpte und mit Hilfe von Zunge und Zähnen einen Würfel aus dem weichen Fruchtfleisch löste. „Ja“, sagte er schwach und versuchte, nicht an die Birnenszene in Piratenherz zu denken.
„Es würde uns nur die schönen Erinnerungen verderben.“
Erneut biss sie in die Mango, und das glucksende Geräusch ging Rick durch und durch. Sein Blick fixierte ihren Mund, der vom Saft der reifen Mango glänzte. Seine Finger schlossen sich fester um die Bierflasche. „Mmhm“, sagte er, während sein Verstand sich verabschiedete.
Ricks Augen schienen plötzlich zu glänzen wie Mondstrahlen auf Saphiren, und Stella stockte der Atem. Sie schluckte den Mundvoll Mango hinunter, doch der Saft rann ihr über die Lippen, und sie schleckte ihn mit der Zunge auf.
Rick schloss die Augen und stöhnte, als all seine edlen Vorsätze von vergangener Nacht in Wanken gerieten. „Stella“, murmelte er, und als er mit flatternden Lidern die Augen öffnete, sah er, dass sie ihn unverwandt anblickte.
Stella blinzelte, überrascht über die Sehnsucht in seiner Stimme. War er näher gerückt? Oder sie? Sie betrachtete seinen Mund und erinnerte sich, wie es sich angefühlt hatte, ihn zu küssen. So viel besser, als sie es sich je vorgestellt hatte. „Es ist verrückt“, flüsterte sie und hatte die Mango ganz vergessen.
Rick nickte, den Blick auf ihren Mund fixiert, und rückte unwillkürlich näher, angezogen wie von einem Leuchtfeuer, sein Herzschlag eins mit dem Rhythmus des Meeres. „So viel steht fest.“
„Aber was ist mit unseren Erinnerungen.“ Plötzlich fühlte sich ihr Mund trocken an. Sie schluckte und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
Ricks Pupillen weiteten sich. „Egal“, murmelte er, während der letzte Rest Widerstand zerbröckelte. „Schaffen wir uns neue Erinnerungen.“
Und er schloss den Abstand zwischen ihnen mit einem Kuss. Es gab den Moment, wo sie hätte zurückweichen können, wo sie hätte protestieren können, und er hätte aufgehört. Doch der Augenblick verstrich, und ihre Mango-Kokos-Aura umhüllte ihn mit einem klebrigen Netz des Verlangens, aus dem er sich unmöglich hätte befreien können.
Selbst wenn er es gewollt hätte.
Das Herz schlug
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