Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)

Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)

Titel: Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Löwen
Vom Netzwerk:
sagen ließ. Zumindest lernte sie die Vorzüge einer klimatisierten Limousine mit Chauffeur schätzen, sogar erstaunlich schnell für ihr Alter. Kepler kutschierte sie gern herum, auch wenn es ihn manchmal bei der Wohnungssuche störte, aber so brauchte Oma sich nicht auf ihrem alten Fahrrad abstrampeln.
    Ein neues hatte sie nämlich nicht gewollt. Und sie widerstand Keplers Versuchen, sie in Urlaub zu schicken, indem sie sich auf ihre schwächelende Gesundheit berief. Die erlaubte ihr aber nach wie vor, in ihrem Verein mitzumachen. Keplers Andeutungen, und auch direkte Worte, dass ein Urlaub die Gesundheit stärkten würde, prallten an Oma einfach ab.
    Sie regierte ihre kleine Familie rigoros wie eh und je. Es störte sie nicht, dass Jens und Sarah eine eigene Familie waren, oder dass Kepler erwachsen war. Das Abendessen hatte in ihrer Küche stattzufinden, und zwar nach ihren Regeln. Bei den Albereien zwischen den ernsten Gesprächen, wenn Kepler und Sarah einander aufzogen, würzte Oma die Sticheleien mit bissigen Kommentaren. Nur um in dem Moment, wenn sie sich völlig entspannten, alle herumzukommandieren.
    Einer hatte abzuwaschen, der andere zu putzen, der dritte sonst was. Währenddessen machte Oma es sich selig grinsend auf dem Sofa bequem, Robert in den Armen. Sarah bekam ihn nur wenn sie ihn füttern musste, Jens nur zum Windelnwechseln. War die Angelegenheit erledigt, war der Kleine umgehend wieder abzuliefern. Kepler brachte es nicht über sich, auf seinem Anteil an dem Jungen zu bestehen. Oma blühte richtig auf, wenn sie ihren Urenkel um sich hatte. Jens und Sarah konnte sie nicht mehr wie früher umsorgen, er selbst stellte sich nach wie vor bockig an, deswegen hatte Oma nur Robert.
    Aber einmal überließ sie ihn Kepler plötzlich von sich aus für fast den ganzen Abend. Unter ihrem misstrauenden Blick hielt Kepler seinen Neffen fest. Der Kleine, der bis dahin auf die Welt pfeifend geschlafen hatte, wachte auf und sah ihn erst argwöhnisch an, dann knetete er grinsend seine Nase.
    A ls Kepler in die leuchtenden Augen des Babys sah, die voll Staunen und unsäglicher Freude in die Welt schauten, überkam ihn die Sehnsucht nach etwas, was er sein ganzes Leben lang gesucht hatte. Aber er wusste nicht, was es war.
    Dann wich die Freude der Angst um seinen Neffen. Er hatte viele Babys gesehen, die keine Zukunft gehabt hatten, nicht einmal einen würdevollen Tod. Ahnte seine Familie wenigstens ansatzweise, wie gesegnet sie war? Wahrscheinlich nicht. Aber Oma bestimmt doch.
    Der kleine Junge in Keplers Armen hörte plötzlich auf, ihn an der Nase zu ziehen und sah ihm ernst in die Augen. Dann lächelte er, zahnlos und breit. In diesem Augenblick wusste Kepler, dass nicht alles vergeblich war. Aber warum, das konnte er nicht nachvollziehen.
    Dieser Ansatz eines leisen Gefühls der Erleichterung war kaum wahrnehmbar, am nächsten Tag spürte Kepler nichts mehr davon, aber die Erinnerung daran war geblieben. Diese Erinnerung und die an das Gefühl von Zuhause und an Omas Hand, runzelig und voller Liebe, die seine Wange berührte, als er auf dem Sofa im Wohnzimmer eingeschlafen war, sie waren ein Segen.
    Kepler fragte sich, womit er ihn verdient hatte. Katrin hatte geschrieben, dass nicht einmal ihre Eltern verstanden, was mit ihr passiert war. Oma wusste auch nicht, wie Afrika war, aber sie redete nicht unwissend auf ihn ein. Weil sie in ihrem Leben genügend schwere Zeiten durchgemacht hatte.
    Und er selbst war oft der Grund dafür gewesen. Doch sie liebte ihn. Und Jens und Sarah und den kleinen Robert. Sie hatte ein großes Herz, die Frau, die ihnen allen eine Mutter war.

6. An einem Freitag ging es Oma schlecht und Kepler fuhr mit ihr zum Arzt. Während er in der Praxis wartete, las er den Stern . In der Zeitschrift war ein Bericht, beziehungsweise Mutmaßungen, über den Einsatz des KSK in Afghanistan abgedruckt. Kepler ärgerte sich über den besserwisserischen Ton des Artikels und sehnte sich nach dem Gefühl der Gefahr und der Kameradschaft, und nach jenem, etwas Wichtiges zu tun. Auch wenn die Gesellschaft nicht verstand, warum sie in den Krieg zogen, ihr Leben riskierten und bereit zu sterben waren.
    Kepler las solange, bis Oma beim Arzt fertig war. Anschließend fuhren sie zu einer Apotheke. Aus einem Impuls heraus rief Kepler Melissa an, sagte das vereinbarte Treffen ab und bestand darauf, Oma auszuführen. Sie wehrte sich erst dagegen, aber er war nicht umsonst ihr Enkel, er konnte auch sehr gut

Weitere Kostenlose Bücher