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Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)

Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)

Titel: Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
Autoren: Johann Löwen
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vergessen, so viel Elend inmitten der Schönheit verändert einen. Ich frage mich ständig, mit welchem Recht ich gefahrlos über die Straße gehen kann und sauberes Wasser zu trinken habe, warum ich genug anzuziehen habe und zu essen – diese Menschen aber nicht. Ich schäme mich, als ob ich dieses gute Leben auf ihre Kosten führe. Ich muss ständig an Afrika denken, und die Probleme hier erscheinen mir nebensächlich und bedeutungslos. Meine Familie und meine Freunde sagen, ich solle alles vergessen und leben. Ich kann es aber nicht. Ich wollte der Welt zeigen, wie die Menschen dort leiden, aber die Welt hatte meine Bilder kurz angeschaut, mitfühlend den Kopf geschüttelt – und dreht sich weiter. Und ich mache es mit, fotografiere Ferienparadiese und Models und verdiene sogar gutes Geld damit. Ich spende fast alles für Afrika, doch dadurch wird es nicht besser."
    Kepler sah plötzlich das erste zerstörte Dorf vor sich, das er im Sudan gesehen hatte. Leichen neben den armseligen Hütten, einen streunenden Hund. Anderthalb Tage hatte er gewartet, ob nicht vielleicht jemand überlebt hätte und zurückkehren würde. Dann war er mit seinem vollbeladenen Scania zurück gefahren. An diesem Tag war sein Herz wie das von Katrin fassungslos erstarrt.
    Auch das Kämpfen später mochte richtig gewesen sein, hatte aber überhaupt nichts gebracht. Dafür war er mit dem Töten sogar reich geworden.
    Nur daran, mit diesem Geld jemandem zu helfen, für den er damals sogar gestorben wäre, hatte er nicht ansatzweise gedacht. Katrin aber sühnte eine Schuld, die sie gar nicht begangen hatte.
    "Du fragst dich bestimm, was dieser Brief eigentlich soll", las er auf der nächsten Seite weiter. "Nun, mir geht es besser, nachdem ich das alles niedergeschrieben habe, und weil ich weiß, dass du mich verstehst. Ich fühle mich dir so sehr verbunden wie keinem anderen Menschen. Ich habe sonst niemanden, ich komme mit keinem mehr klar.
    Auf der DVD sind Fotos, die ich in Afrika gemacht habe. Vielleicht will deine Familie sie sehen, um zu verstehen, wie es dort ist. Und dir will ich etwas geben, das dich an mich erinnert. Es ist in einem Extra-Ordner, der nur für dich ist, den kannst du nur auf einem PC öffnen. Das Passwort ist das, was wir uns in der Nacht vor deiner Hütte im Sudan angeschaut haben. Das in diesem Ordner hat meine Erinnerung an dich nicht verblassen lassen.
    Ich hoffe, dass du in diesem irrsinnigen Krieg nicht gefallen bist und dass du mich bald anrufst.
    In Liebe, deine Katrin."
    U nter dieser Zeile standen zwei Telefonnummern.
    Zum ersten Mal seit Monaten fühlte Kepler sich gut. Katrin war die Rechtfertigung für sein Tun gewesen, sie hatte ihm Kraft gegeben weiterzumachen. Er hatte ihretwegen getötet, aber für sie wäre er auch gestorben. Vielleicht hielt sie ihn deswegen für gut. Er selbst tat es nicht, aber es war ein gutes Gefühl, dass sie es machte.
    Kepler legte den Brief zur Seite, holte das Handy heraus und tippte die Festnetznummer ein. Es kam sofort die Ansage, dass diese Nummer nicht vergeben sei. Überrascht wählte Kepler die Mobilnummer. Es klingelte lange, er wollte schon auflegen, als endlich abgenommen wurde.
    Eine Sekunde lang war sein Herz kurz davor, vor Freude zu bersten. Dann zog es sich wieder zu einem Ei sklumpen zusammen. Die Frau am anderen Ende der Leitung war nicht Katrin. Und sie wusste nicht, wer Katrin war. Diese Nummer hatte sie seit fünf Monaten.
    Katrin, für einen Augenblick so nah, als wenn sie abermals ein Teil von ihm wäre, war wieder genauso fern wie vor einem Jahr. Kepler schaltete den Laptop ein. Die dritte Nummer zum Namen Erler mit der Vorwahl 0431 im Internettelefonbuch stellte sich als die von Katrins Eltern heraus.
    Ihre Mutter gab knapp die Auskunft, dass Katrin seit sechs Monaten für Greenpeace unterwegs sei. Dann stockte sie und fragte nach, wer anrief.
    " Kepler. Ich kenne Ihre Tochter aus Sudan..."
    "Dirk Kepler?", hakte die Frau skeptisch nach.
    Jetzt war Kepler erstaunt, seinen Vornamen hatte er nicht genannt.
    "Ja... "
    " Ich...", die Frau zögerte, bevor sie weitersprach, "ich danke Ihnen."
    "W ofür?", fragte Kepler perplex.
    " Dafür, dass Sie meine Tochter beschützt haben."
    "Äh... Sie brauchen mir dafür nicht zu danken, Frau Erler..."
    "Katrin hatte Sie fürchterlich vermisst. Sie hatte so sehr gehofft, dass Sie zurückkommen würden." Katrins Mutter schwieg kurz. "Aber Sie riefen nicht an. Und sie war so fertig, seit sie von da zurück war." Ihr
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