Freiheit für Cyador

liegt.
    Es raschelt in den Zweigen, dann zittert das Laub, aber kein Leopard zeigt sich. Lorn hält den Wallach an, denn ein Angriff wird und muss folgen, gemäß den Mustern, die der Verwunschene Wald vorgegeben hat.
    »Bereit machen zum Feuern! Kurze Entfernung!«
    Die Truppenführer können den Befehl gar nicht so schnell wiederholen, da springen schon zwei Rudel Leoparden aus der Krone und rasen auf die Lanzenkämpfer zu.
    »Feuer frei!«
    Zischende Schüsse aus den Feuerlanzen hageln auf die Tiere nieder. Lorn lenkt den Wallach nach rechts, er zielt genau hinter die Erste Einheit, um den zwei Leoparden zuvorzukommen, die sich zurückfallen lassen, um nach Nordwesten zu flüchten.
    Lorn zielt mit der Feuerlanze auf die führende der zwei schwarzen Katzen, doch erst nachdem er die gesamte Ladung verschossen hat, stolpert die Katze und geht zu Boden. Das nachfolgende Raubtier, dem durch Lorns Beschuss der Weg abgeschnitten ist, ändert plötzlich die Richtung und stürzt auf den Hauptmann zu.
    Lorn metzelt den letzten Leoparden mit der brystanischen Klinge nieder – oder genauer gesagt mithilfe des Chaos-Feuers, mit dem er die Cupridiumspitze des krummen Säbels verlängert hat. In dem Winkel, in dem er zu den anderen Lanzenkämpfern steht, können die Männer nicht gesehen haben, was genau er getan hat; und selbst wenn einige wenige es beobachtet haben, werden sie nicht mehr wissen, dass der Säbel für einen Augenblick sehr lang war. Schließlich musste Lorn auf jeden Fall verhindern, dass die Katze ihm oder seinem Pferd Schaden zufügt.
    Keuchend zügelt er den Wallach. Er hält noch immer die leere Feuerlanze und den brystanischen Säbel in Händen. Als er sicher ist, dass beide Leoparden tot sind, tauscht er die Feuerlanze aus und lenkt den Wallach zurück zu den zwei Einheiten, die sich wie zuvor befohlen aufgestellt haben und nun zu beiden Seiten der zerstörten Baumkrone stehen.
    Die zwei Truppenführer reiten zu Lorn. Etwa fünfzehn Ellen von ihm entfernt zügeln sie die Pferde.
    »Erste Einheit meldet: Keine Waldtiere geflüchtet, Ser«, erstattet Shynt Bericht.
    »Zweite Einheit meldet: Keine Waldtiere geflüchtet, Ser«, bestätigt auch Kusyl.
    »Gut.« Lorn nickt. »Ich schreibe gleich die Nachricht für die Spiegelingenieure.« Seine Augen brennen und im Schädel pochen noch Ordnung und Chaos. Als er weiter auf die zwei Truppenführer blickt, verschwimmt das Bild vor seinen Augen und plötzlich sieht er die Männer doppelt.
    Er zwinkert und die Bilder vereinen sich wieder, aber die Kopfschmerzen bleiben. Seine Uniform ist völlig durchgeschwitzt im Gegensatz zu denen der Truppenführer und Lanzenkämpfer und selbst die Oberschenkelmuskeln drohen nun zu verkrampfen. Dennoch dreht er sich im Sattel um und sagt gelassen: »Kusyl, Shynt, die Einheiten sollen weiterhin die Lanzen bereithalten; wenn sich nichts tut, dann könnt ihr die Wachen für den Nachmittag und Abend aufstellen.«
    »Ja, Ser«, antworten beide Truppenführer fast gleichzeitig.
    Lorn steckt Säbel und Feuerlanzen langsam ein, dann holt er das leere Papier für die Nachricht an die Ingenieure heraus. Selbst wenn sie nur auf jeder dritten Patrouille einen umgestürzten Baum finden, wird der Winter lang werden.

 
XXXIII
     
    L orn hält unter dem grünen Fass vor der kleinen Veranda an, die zu Dustyns Geschäft führt. Beim Absteigen wirft der Lanzenkämpferhauptmann einen Blick nach oben auf die schweren grauen Wolken und hofft, dass sein Geschäft mit dem Kommis nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt, sodass er zurück in der Kaserne ist, bevor der drohende Regenguss niedergeht. Er bindet den Wallach an den Bronzering vor Dustyns kleinen Laden und erklimmt die Stufen, um den engen Vorraum zu betreten.
    Gerade will Lorn zur Glocke greifen, da taucht auch schon das schmale Gesicht des Kommis hinter dem Vorhang auf.
    »Morgen, Hauptmann«, begrüßt ihn Dustyn. »Die Zweite Kompanie hat wohl ihren freien Tag, da Ihr schon so früh am Morgen hier in der Stadt seid.«
    »Ja, heute ist in der Tat einer dieser wenigen Tage«, gibt Lorn zur Antwort.
    »Ich wette, Ihr wollt ein paar Flaschen Alafraan mitnehmen. Könnt es wohl nicht erwarten, bis der Bote den nächsten bringt.«
    »Ein oder zwei Flaschen könnte ich schon gebrauchen«, gibt Lorn zu, »aber das ist nicht der Hauptgrund für meinen Besuch.«
    Dustyn öffnet die Tür und bedeutet Lorn, ihm über den Flur in ein winziges Nebenzimmer zu folgen. Es ist ein noch kleineres Arbeitszimmer