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Freiheit für Cyador

Titel: Freiheit für Cyador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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Der Säbel wird fast ohne Lorns Zutun nach oben gerissen und fängt die dünne Machtlinie auf.
    Lorn hat zu kämpfen – sofort und endlos lang, so scheint es –, um das Feuer zurück auf die Fundamente der Sperrenmauer zu lenken, wo sie über den Granit züngeln und dann hoch aufflackern. Als er diese Energie fortgeschleudert hat, die so viel gewaltiger ist als jeder Feuerstoß aus der Hand eines Magiers, dem er bisher begegnet ist, und die Chaos-Energie wieder fließt, weil das Geflecht aus Ordnung und Chaos hinter die Mauer verbannt ist, da versteht Lorn, dass der Verwunschene Wald ihm nur einen Bruchteil seiner Macht gezeigt hat.
    Lorn erkennt auch, und das nicht nur mit dem Verstand, sondern mit all seinen Sinnen und Empfindungen, dass die Macht des Waldes in der Verschmelzung von all dem liegt, das sich im Wald befindet. Und dass Cyador und der Wald nicht nebeneinander auf dem gleichen Land existieren können. Damit überkommt ihn eine tiefe Traurigkeit und Niedergeschlagenheit. Lorn weiß, dass es nicht so sein sollte und doch nicht anders sein kann.
    Er steckt den Säbel zurück in die Scheide und nimmt den Wallach herum, ohne zurück auf die Sperrenmauer oder dahinter auf den Wald zu blicken. Warum hat der Wald diesmal nicht versucht, ihn zu überwältigen? Ist er nicht in der Lage dazu? Oder weiß er, dass Lorns Tod ihm wenig nützen würde? Lorn lacht leise. Letzteres muss stimmen, denn wenn er zu Tode kommt, fließt das Chaos-Netz zurück in seine Bahnen. Aber kann ein Wald, so sehr er auch mit Ordnung und Chaos angefüllt sein mag, ein derartiges Verständnis aufbringen? Oder sind es einfach die herkömmlichen Regeln von Ordnung und Chaos, nach denen der Wald spielt, so wie ein Fluss einfach den Gegebenheiten der Landschaft folgen muss?
    Er wird die Antwort darauf niemals erfahren, denkt Lorn, als er sich den Toren zum Kasernenhof nähert, und auch das macht ihn traurig.
    »Ser?«
    »Ich bin es. Hauptmann Lorn.«
    »Haben uns schon Sorgen um Euch gemacht, Ser.«
    Lorn lässt sich die Überraschung nicht anmerken. War er so lange weg gewesen? »Ich weiß deine Sorge zu schätzen.«
    »Wir haben so etwas wie Fackeln da draußen gesehen …«
    »Ich habe etwas mit meiner Feuerlanze ausprobiert«, erklärt Lorn. »Ich muss länger gebraucht haben, als mir bewusst war.«
    »Ist gut, Ser.«
    »Gute Nacht.« Lorn lächelt und führt den weißen Wallach durchs Tor. Er weiß nun, dass er nicht allzu lange da draußen gewesen sein kann, aber er fragt sich, wie hell dieser Strahl aus Ordnung und Chaos wohl gewesen sein muss, wenn man ihn im Nebel zwei Meilen weit gesehen hat.
    Suforis ist schon gegangen, aber er hat eine Lampe brennen lassen und die Stalltür einen Spalt offen gelassen.
    Lorn öffnet die Stalltür und führt den Wallach in seinen Stand, um ihn abzusatteln und zu striegeln.
    Schließlich begibt er sich in seine Gemächer und stellt als Erstes die ungebrauchte Feuerlanze in die Ecke. Dann geht er zum Schrank und betrachtet sein Gesicht im Spiegel. Seine Haut ist rot, als hätte die Sonne sie versengt, so rot wie damals, als er sich das erste Mal am Chaos-Netz der Sperrenmauer zu schaffen machte.
    Lorn schüttelt den Kopf, er schnallt Gürtel und Säbel ab und zieht die feuchte Tunika aus, die er an einen Haken an der Wand hängt. Er setzt sich und entledigt sich der Stiefel, bevor er die zweite Schublade seitlich am Schrank herauszieht. Er nimmt das Chaos-Glas und stellt es auf den kleinen Schreibtisch.
    Mit einem beinahe zynischen Lächeln blickt Lorn in das Glas, dann konzentriert er sich auf Maran.
    Die silbernen Nebelschwaden lichten sich langsam und das Bild des dunkelhaarigen Majors erscheint in der Mitte der wabernden Schleier. Maran sitzt an seinem Schreibtisch und denkt anscheinend nach, eine Schriftrolle liegt vor ihm auf dem Tisch und ein halb volles Kelchglas mit bernsteinfarbenem Wein steht daneben. Die Stirn hat der Major in Falten gelegt. Vielleicht kann auch er die Beobachtung durch ein Chaos-Glas fühlen?
    Lorn lächelt kalt und lässt das Bild los; schnell versteckt er das Glas wieder unter der Wäsche.
    Kaum hat er Ryalths Buch mit den alten Gedichten zur Hand genommen und sich in Hose und Untertunika auf dem Bett ausgestreckt, da bemerkt er nun seinerseits, dass ihn jemand durch ein Chaos-Glas betrachtet.
    Er schmunzelt, doch versucht er zu verbergen, dass er die Beobachtung fühlt. Er nickt nicht einmal, sondern betrachtet einfach weiter den schimmernden Einband des

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