Freiheit fuer Mama
vom Lkw überfahren wird, dachte ich. Ohne dass du etwas Böses ahnst, prallt da etwas Schweres auf dich und macht dich platt. Nur, dass ich nach der Tortur eben immer noch nicht platt war. Nein, ich war kugelrund, und mein Baby steckte weiterhin im Geburtskanal fest. Weil sein kleines Herz kaum noch zu hören war, musste es irgendwann ziemlich schnell gehen. Ich nahm es also auch noch hin, dass meine Oberschenkel auf lilafarbene Beinstützen gewuchtet wurden, so dass ich eine Spreizhaltung einnahm. Und dann wurde Paul mit der Zange ins Leben gezogen. Sein handwerkliches Interesse, von dem wir natürlich erst später erfuhren, machte sich also schon unter der Geburt bemerkbar. Der Kleine kam mit einer Zange zur Welt, wenn auch nicht in der Hand, sondern am Kopf.
Doch nun ist alles gut. Alle Schmerzen sind wie weggeblasen. Ben und ich lächeln uns glücklich an. Ich glaube, er hat in den letzten 18 Stunden noch mehr gelitten als ich. Als Mann sitzt du ja nur daneben und fühlst dich blöd, hilflos, ganz schrecklich, weil du nichts machen kannst. Im Geburtsvorbereitungskurs wird zwar genau eingeübt, was der Partner für die Frau tun soll. Wie er sitzen und mitpressen oder mithecheln kann. Aber viele Frauen können es überhaupt nicht ertragen, wenn der Partner sie während der Geburt anfasst, ihnen den Rücken massiert oder den Bauch streichelt. Also ich jedenfalls fand es schrecklich. Jede Berührung wirkte auf mich wie ein Übergriff – dabei war das doch alles nur lieb gemeint.
Egal – nun sind wir vereint. Unser kleiner Zwerg muckelt, eingehüllt in warme Tücher, auf meinem Bauch friedlich vor sich hin. Ich bekomme ein paar homöopathische Mittel gegen den Wundschmerz und werde unten herum zusammengenäht. Der Damm, jene Verbindung zwischen Scheide und Po, ist unter der Geburt geschnitten worden, um den Weg frei zu machen. Während der Gynäkologe mit Nadel und Faden hantiert, plaudere ich mit ihm entspannt über Gott und die Welt. Der Damm tut gar nicht weh. Nein, wirklich nicht.
Das ist auch wieder so ein Ding. Die Zweitmütter in unserem Geburtsvorbereitungskurs hatten sich stundenlang darüber ausgelassen, wie schlimm so ein Dammschnitt sei. Dass die Ärzte viel zu schnell schnippeln, wenn es mit der Geburt nicht vorangeht. Ich war ehrlich gesagt ganz froh, dass irgendwer meinem Sohn auf diese Weise den Weg ins Leben erleichterte. Sonst würde er wohl immer noch feststecken und ich würde bis an mein seliges Ende so hektisch vor mich hinatmen.
Wie auf Wolken
Die Hebamme drückt aufs Tempo, Paul soll an die Brust. Je eher er rankann, desto besser klappt es später mit dem Stillen, sagt sie. Das habe ich auch schon irgendwo gelesen. Also darf er ran. Paul schnallt nicht ganz, was das alles soll. Er ist kaputt und will nur vor sich hin dämmern. Er muss etwas angestupst werden, öffnet dann aber kooperativ sein Mäulchen und dockt an. Zaghaft zieht er an der Brust, aber etwas zu trinken kommt noch nicht. Trotzdem, das Schnubbeln an meiner Brust gefällt ihm. Er schläft sofort ein. Tolles Kind. Tiefer Friede.
Ich gehe wie auf Wolken. Plötzlich habe ich das Gefühl, ich könnte Bäume ausreißen und alles schaffen. Diese hormonelle postnatale Euphorie ist wirklich toll. So heißt es nämlich wissenschaftlich, dieses Hochgefühl nach der Geburt. Eben warst du noch ganz unten und lagst in Schweiß und Blut. Nun bist du wieder obenauf, und wie! Das hat die Natur prima eingerichtet. Frau bekommt ihr Kind und zieht weiter mit der Karawane. Ich schlage sogar vor, die Schwiegereltern anzurufen und von dem freudigen Ereignis zu berichten.
Bums. Beim Versuch aufzustehen falle ich um. Ich sehe Sterne und bin wohl plötzlich sehr blass geworden. Darum werde ich mit einem Wägelchen in das Zimmer gefahren, in dem wir die Nacht verbringen werden. Mein Blutdruck ist offenbar im Keller, außerdem habe ich bei der Geburt viel Blut verloren.
Wir sind zu dritt in einem Familienzimmer. Das ist ja heute so üblich, dass Mama, Papa und Kind zusammen in einem Raum untergebracht werden. Damit die Familie von Anfang an zusammen ist und sich nicht erst irgendwelche altmodischen Gewohnheiten einschleichen. Etwa, dass immer Mama nachts zum schreienden Baby geht, während Papa sich auf die andere Seite dreht, weil er eh nicht weiß, wie er das Kind beruhigen soll.
Wir haben uns vorgenommen, es anders zu machen, wir wollen beide alles können und alles machen. Wenn Paul nachts schreit, werde ich mich also jedes zweite Mal
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