Freiheit statt Kapitalismus
damit die bereitgestellten Milliarden nicht im Nirwana verschwinden? Sind sie es nicht ihren Bürgern schuldig, die das Steuergeld sauer erarbeitet haben?
Der heutige europäische Diskurs lebt von Lügen. Wurde Griechenland je geholfen? Wie kann es dann sein, dass das Land heute ungleich ärmer, die Wirtschaft ungleich desolater, die Arbeitslosigkeit ungleich höher und die Verzweiflung der Menschen ungleich größer ist als zu Beginn der vermeintlichen »Rettung«?
Übrigens ist auch der griechische Staat ungleich bankrotter. Denn obwohl zwischen Mai 2010 und Ende 2011 immerhin 73 Milliarden Euro an sogenannten Hilfsgeldern aus dem ersten Kreditpaket für Griechenland überwiesen wurden, sind die griechischen Staatschulden um weitere 50 Milliarden Euro angeschwollen. Daraus mögen einige nach der Logik schwäbischer Hausfrauen folgern, dass die Griechen nicht genug gespart haben. In Wahrheit rührt das Elend und auch der weitere Anstieg der Staatsschulden gerade daher, dass die gewissenlos korrupte griechische Politelite das Land exakt so brutal zu Tode gespart hat, wie es ihr die europäischen Geldgeber aufgegeben haben.
Die Härte des Sparkurses lässt sich an Zahlen ablesen. Immerhin haben die Griechen ihr öffentliches Defizit, die Zinszahlungen herausgerechnet, von 10,6 Prozent der Wirtschaftsleistung 2009 auf nur noch 2,4 Prozent 2011 abgesenkt. Das Minus im deutschen Staatshaushaltwar nicht selten höher. Einschließlich Zinszahlungen ist das griechische Defizit allerdings deutlich weniger gesunken, nämlich nur von 15,8 Prozent der Wirtschaftsleistung auf 9,3 Prozent. Eine Ursache für die unverändert anwachsende Staatsschuld sind also nicht zuletzt die extrem hohen Zinsen, zu denen sich Griechenland 2009 und in den ersten Monaten 2010 refinanzieren musste und die in der Folgezeit treu bedient wurden. Inzwischen sind allein die fälligen Zinsen für einen Großteil der griechischen Neuverschuldung verantwortlich.
Tödliche Spirale
Es gibt aber einen noch wichtigeren Grund für die beharrlich steigende griechische Schuldenquote. Er besteht darin, dass die griechische Wirtschaft durch die radikalen Sparprogramme in eine tiefe Depression gestürzt ist und in nur zwei Jahren 11 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit verloren hat. Mit der Krise aber brechen auch die Steuereinnahmen weg und machen den fortgesetzten Kampf um Absenkung der Defizite zu einer tödlichen Spirale aus Ausgabenkürzungen, verstärktem wirtschaftlichen Niedergang und neuen Streichlisten. Am Ende dieses Trauerspiels kann nur die Zahlungsunfähigkeit eines rücksichtslos ausgeplünderten Landes stehen.
Griechenland ist damit ein erneutes trauriges und mahnendes Exempel für die gar nicht so neue Erkenntnis, dass ein Land – anders als die schwäbische Hausfrau – sich aus Schulden nicht heraussparen kann. Wäre es die ehrliche Sorge um eskalierende Schulden, die die europäische Politik umtreibt, müsste sie spätestens nach dieser Erfahrung den Sparprogrammen von Rom bis Madrid Einhalt gebieten und den Fiskalpakt in den Reißwolf werfen. Aber nichts dergleichen geschieht. Der gleiche Kurs, der Griechenland ins Elend gestürzt hat, soll Armut, Verzweiflung und Angst offenbar über den ganzen europäischen Kontinent verbreiten.
Die versteckten Profiteure
Wer gewinnt bei diesem Wahnsinn? Da nicht nur die Bevölkerung verarmt, sondern am Ende auch große Teile der Staatsschulden abgeschrieben werden müssen, scheint es auf den ersten Blick nur Verliererzu geben. Die Profiteure bleiben gern unsichtbar, aber es gibt sie. Zu Beginn seiner »Rettung« hatte der griechische Staat etwa 300 Milliarden Euro Schulden, die von Banken, Versicherungen, Hedge-Fonds und vermögenden Anlegern gehalten wurden. Anfang 2012 hatte der griechische Staat 360 Milliarden Euro Schulden, von denen sich aber nur noch 200 Milliarden in privater Hand befanden.
Von den bis zu diesem Zeitpunkt ausgezahlten 73 Milliarden Euro vermeintlicher Griechenland-Hilfen wurden 70 Milliarden allein dafür verwandt, auslaufende Anleihen zum vollen Nennwert zu tilgen und fällige Zinszahlungen zu begleichen. Anleihen also, die am Markt mit einem Wertabschlag von 60 bis 70 Prozent gehandelt wurden, konnten die Gläubiger so in 100 Prozent bares Geld verwandeln, ein blendendes Geschäft für die Finanzbranche. Auch für die griechischen Staatsanleihen im Wert von etwa 70 Milliarden Euro, die die EZB und die nationalen Notenbanken zwischen 2010 und Ende 2011 aufgekauft haben,
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