Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer
Wanderanekdoten oder Modernen Legenden. Diese wiederum sind ihrer Natur nach
Gerüchte,
kurze Erzählungen unbekannten Wahrheitsgehaltes. Der britische Psychologe Sir Frederic Bartlett untersuchte bereits in den dreißiger Jahren, welche Teile einer unbekannten Geschichte sich Menschen merken. Er stellte fest, dass Menschen dazu neigen, die Geschichte an ihr Vorwissen und Weltbild anzupassen, um sich danach nur an die angepasste Version zu erinnern. 1947 veröffentlichten die amerikanischen Psychologen Gordon Willard Allport und Leo Postman ihr Buch
The Psychology of Rumor.
Sie beschreiben darin detailliert die Veränderung von Gerüchten während ihrer Ausbreitung.
Danach tendieren Gerüchte dazu, mit zunehmender Verbreitung kürzer zu werden (Levelling) und in einzelnen Teilen eine schärfere Form (Sharpening) anzunehmen. Ferner verändern die Menschen ein Gerücht bei der Verbreitung so, dass es besser zu ihrem Vorwissen und ihrer Gefühlslage passt (Assimilation). Das erklärt aber noch nicht, warum manche Gerüchte nicht einmal den Raum verlassen, in dem sie geboren werden, während andere in
wenigen Stunden ganze Gebäudekomplexe durchdringen. Erst in den siebziger Jahren brachten die Biologen die Vorstellung des Überlebens von Ideen durch natürliche Auslese auf.
Die Wissenschaftler gingen davon aus, dass Ideen, also auch Gerüchte, miteinander im Wettbewerb stehen. Sie verändern und vermehren sich und unterliegen dabei ähnlichen Gesetzen, wie Darwin sie für die Evolution von Lebewesen formuliert hat. Der Biologe Richard Dawkins hat dafür den Begriff »Mem« geprägt, den er von »Gen« ableitet. Während das Gen die Grundeinheit für die Vermehrung und die Evolution von Lebewesen darstellt, ist ein Mem die Grundeinheit einer Idee. Ein Mem verändert sich so lange, bis es ausstirbt oder sich im Wettbewerb mit anderen Memen durchsetzen kann. Oder anders ausgedrückt: Erfolgreiche Meme breiten sich aus und setzen sich in den Köpfen der Menschen fest. Welches sind nun die Bedingungen für den Erfolg von Gerüchten?
Ein Gerücht verbreitet sich immer dann, wenn
die Gelegenheit gegeben ist, also ein ausreichend dichtes und von der Art her geeignetes Kommunikationsnetzwerk vorliegt, und
das Gerücht ausreichend glaubwürdig ist, und
das Gerücht ausreichend interessant ist. Dabei entscheidet nicht das Interesse des Einzelnen, sondern das Gruppeninteresse, also die Überlappung der Interessen der Einzelnen.
Alle drei Faktoren müssen zusammenwirken. Wenn einer fehlt, verbreitet sich das Gerücht nicht. Ein wirklich interessantes Gerücht verbreitet sich auch dann, wenn das Kommunikationsnetz löchrig und die Glaubwürdigkeit des Inhalts eher gering ist. Ein sehr dichtes Kommunikationsnetz transportiert auch mäßig interessante Gerüchte von zweifelhafter Glaubwürdigkeit.
Die Glaubwürdigkeit wiederum hängt von vier wesentlichen Faktoren ab. Dies sind: die Genauigkeit der Darstellung, die Glaubwürdigkeit der Quelle, die Übereinstimmung mit dem Weltbild
des Zuhörers und die Situation. In Stresssituationen oder in unsicherer und beängstigender Lage, aber auch in Zeiten der Langeweile liegt die Schwelle der Glaubwürdigkeit deutlich niedriger als in einer entspannten Situation. Menschen neigen außerdem dazu, die Glaubwürdigkeit auch danach einzuschätzen, wie oft sie ein Gerücht hören. Allein durch seine Verbreitung gewinnt ein Gerücht also bereits an Glaubwürdigkeit.
Gerüchte und Internet
Das Internet hat der Verbreitung von Gerüchten eine neue Dimension verliehen. Entsprechend dem vorgestellten Modell bildet das Internet ein dichtes, für viele Arten von Gerüchten geeignetes Netzwerk mit Speicherfunktion. Anders als die flüchtigen mündlichen Gerüchte bleiben die Gerüchte im Internet monate- oder jahrelang abrufbar. Ein direkter Kontakt zwischen den Menschen, die das Gerücht verbreiten, ist nicht mehr notwendig. Gerade auf privaten Websites bleiben Gerüchte oft jahrelang unverändert stehen, selbst wenn sie lange überholt oder widerlegt sind. Auf diese Weise sammeln sich im Internet immer mehr Gerüchte an.
Die großen Suchmaschinen wie Google oder Yahoo verschaffen allen Internetbenutzern Zugriff zu beliebigen Inhalten ohne Rücksicht auf den Wahrheitsgehalt. Eine Google- oder Yahoo-Anfrage liefert sogar bevorzugt Gerüchte. Viele Zeitungen und Zeitschriften schützen die sorgfältig recherchierten Artikel auf ihren Websites vor den Robots der Suchmaschinen oder öffnen
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